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Können wir uns ein Reformationsjubiläum leisten?

LutherDer Evangelische Pressedienst hat kürzlich in einer Pressemitteilung über Widerstand aus der Wirtschaft gegen einen einmaligen Reformationsfeiertag informiert. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände hat beschlossen, sich öffentlich gegen einen einmaligen bundesweiten Feiertag für Dienstag, den 31. Oktober 2017 in Stellung zu bringen.  Es drohe angeblich ein Milliardenverlust.

Der touristische Faktor des Reformationsjubiläums wäre hier das wahrscheinlich noch am ehesten überzeugende Argument („Reiseziel Reformation: Der Tourismus profitiert schon jetzt.„). Immerhin wird hierfür nicht nur einmalig, sondern nachhaltig eine Verbesserung der Situation in den mit Lutherstätten gesegneten Regionen betrieben. Die Wirtschaft profitiert von Anlass, warum also nicht einen freien Tag für Gottesdienste, Empfänge, Feste usw. einrichten? Auch davon könnten Teile der Wirtschaft (z.B. Gastronomie) profitieren. Aber sollte Kirche sich auf eine solche Begründungsstrategie einlassen? Sie würde damit der bereits angebahnten Kommerzialisierung des Jubiläums noch weiter Vorschub leisten.

Der Widerspruch nötigt zur Überprüfung des Anliegens und der Argumentation. Das Anliegen eines einmaligen Feiertages ist ja m.W. zuerst von Politikern eingebracht und dann von Kirchenvertetern aufgegriffen worden. Sollten wir jetzt die ersten sein, die sich bei einer kritischen Hinterfragung dieses Anliegens zu Wort melden?

Wie immer es auch ausgeht: für die Planung von (Groß-) Veranstaltungen wird es in absehbarer Zeit nötig sein, Planungssicherheit zu haben.

Das Leipziger Bach – Festival 2013

Ein einfühlsames Protrait von Johann Sebastian Bach bietet ein Dokumentationsfilm, der anlässlich des diesjährigen Bach-Festivals in Leipzig von der Deutschen Welle produziert worden ist. Mit Interviewausschnitten namhafter Bach-Forscher und -Interpreten sowie Ausschnitten von aufgeführten Werken. Sehenswerte Laudatio auf den „5. Evangelisten“.

Reformationsjubiläum mit Kirche und Staat – eine Anfrage

luther_2017_rgbDer Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, hat in der jüngsten Ausgabe der Zeitung „Politik und Kultur“ (Seite 1, Kolumne „Feiertag“) eine problematische Nähe zwischen Kirche und Staat kritisiert.  Zimmermann ist ein aufmerksamer Beobachter und konstruktiver Partner der Kirchen in unserem Land. Schon kurz nach der Ausrufung der Reformationsdekade hat er in der genannten Zeitung des Kulturrates eine Kolumne für „Luther 2017“ eingerichtet, die seither in jeder Ausgabe erscheint und immer wieder auch Vertretern der Kirche Platz einräumt. Schon Jahre zuvor hatte Zimmermann die unterschätzte kulturpolitische Bedeutung der Kirchen neu und engagiert ins öffentliche Bewusstsein gebracht. Hier kritisiert also nicht irgendwer.

Olaf Zimmermann sieht in den Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum 2017 eine fragwürdige Nähe zwischen Kirche und Staat sich anbahnen. Seine Anfrage hat er immerhin mit stichhaltigen Verweisen auf zurückliegende historische Reformationsjubiläen unterfüttert und er befürchtet nun, dass auch dieses Jubiläum wieder einer theologischen bzw. kirchenhistorischen Entgleisung zum Opfer fällt.

Den konkreten Nachweis, inwiefern die mit historischem Wissen genährte Befürchtung nun auch im Blick auf dieses Jubiläum tatsächlich begründet ist, bleibt er in seinem kurzen Zwischenruf (noch?) schuldig. Insofern ist es zunächst nur eine Anfrage, wenn auch sehr deutlich und mit scharfem Geschütz (Auf der Homepage der Lutherdekade gibt es noch eine etwas ausführlichere Darstellung des Konfliktes).

Diese Anfrage wurde reflexartig und mit milden Formulierungen zurückgewiesen. Es sei doch eine „überschaubare“ Zusammenarbeit, so der Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD Dr. Thies Gundlach über die Kooperation zwischen Kirche und Staat. Und überhaupt: Die Reformation gehöre ja nicht der Kirche allein. Und die Aussage, dass ein „gesamtplanerischer Steuerungsausschuss“ für die EKD „eine Nummer zu groß sei“, nimmt man mit Verwundern zur Kenntnis.

Mit Gummiworten („überschaubar“), Allgemeinplätzen (kein kirchliches Monopol, – darüber gab es in der Zeitung des Kulturrates ja schon einmal einen Wortwechsel) und ans Lächerliche grenzenden Metaphern („Lasst Blumen blühen“) ist hier leider nur eine ausweichende und äußerst schwache Antwort gegeben worden. Die scharfe Anfrage  von Olaf Zimmermann berührt aber einen für den Protestantismus nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts äußerst brisanten Punkt. Sowohl der Gesprächspartner und die gesellschaftliche Gruppe, für die er steht, als auch die Sache selbst hätten wahrlich mehr theologische, argumentative Mühe verdient.

Damit wird nun zwar etwas verfrüht, aber doch zu recht das Schwerpunktthema für 2014 angeschlagen. Hoffentlich wird das nicht ebenso „überschaubar“ wie die – sicher vorläufige – Antwort aus dem Kirchenamt. Und für die Kulturschaffenden und Künstler haben wir ja auch noch das Themenjahr 2015 …

(Nichts) Neues unter der Sonne?

„Religion und Moderne“

Wie aktuell die Gottes- bzw. Wahrheitsfrage für das Toleranzthema nach wie vor ist, findet man in der vorletzten Beilage zur Wochezeitung „Das Paralement“ ereneut vorgeführt. In der Ausgabe 24/2013 „Aus Politik und ZeAPuz 2013Xitgeschichte“ bezieht der Publizist Robert Misik in seinem Eröffnungsbeitrag klar Position „Gegen Gott„. Dass er eine gewisse Lust an meinungsfreudigen Etikettierungen hat und sie charmant, eloquent und mit einer Brise subtilem Humor / Ironie vorzutragen weiß, kann man auch sonst auf seiner Homepage nachschauen. Misik gibt sich als aufmerksam und differenziert reflektierender Zeitgenosse. Doch durchweg alles, was sich irgendwie auf Gott bezieht, ist für ihn von vornherein suspekt. Er wirft sämtliche Religionen, Konfessionen und Glaubensweisen „alle zusammen“ (S.4) in einen Topf und findet in ihnen vor allem eines: „Frömmlerei“, die auch durch das überraschende Lob, das er am Ende doch noch ausspricht, nicht aufgewogen wird.

Man muss sich schon sehr bemühen, in der insgesamt ziemlich undifferenzierten Pauschalkritik von Robert Misik einen Gedanken auszumachen, der einen zu reflektiertem Widerspruch lockt und eine Debatte eröffnen könnte. Die inzwischen bis zum Abwinken populären Schlussfolgerungen zum Thema Monotheismus werden nur wiedergekäut, und so manche süffisante Anmerkung signalisiert in Sachen Religion Debattenresistenz bzw. -Abstinenz. Es lebe der Gemeinplatz, der eine weitgehend diskursfreie Zustimmung erheischt. Religionskritik, die dem Glauben an Gott intellektuelle Unredlichkeit und Bigotterie vorwirft, kann sich selbst zugleich post-diskursiv gebärden. Diese Rreligionskritik hat das Nachdenken, das Gespräch, die Auseinandersetzung scheinbar schon hinter sich und ist gerade dabei, die Akte zu schließen. Verglichen mit der (zugegeben durchaus ambivalenten) gesellschaftlichen Relevanz, die Religionen / Kirchen in ihren instutionalisierten und informellen Formen haben, ist das definitiv zu wenig, auch wenn es von vielen für hinreichend plausibel gehalten wird.

Seine Stärke zeigt dieser Beitrag erst, wenn man das ihm nachfolgende Plädoyer des Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider daneben hält. Schneiders Hauptargument liegt mit dem Schlusslob von Misik durchaus auf einer Linie und knüpft beinahe nahtlos daran an. Es geht auch ihm – in seiner Rolle als Ratsvorsitzender Nikolaus Schneider– um die gesellschaftliche Nützlichkeit von Religion bzw. Kirche („Wohltat für die Gesellschaft“, S.8), aus der sie ihre Evidenzen ziehen kann. Religion als „politische Ressource“ (S.7) und als wichtiger Akteur in der Zivilgesellschaft. Für die großen Herausforderungen braucht die Gesellschaft Religion als „motivierende Gestaltungskraft einer inneren Überzeugung“ (S.9). Fraglos sind die Kirchen für ihn zuständig für Religion in diesem Sinne. Die Argumente und Hinweise, die Schneider hierzu anführt, sind in der Kürze seines Essays ausreichend benannt. Das Böckenförde-Diktum ist die sachliche Hauptstütze der Argumentation: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.

Der kurze Abschnitt über das Herr-Sein Jesu Christi (S.8) wirkt leider wie ein Nebenpfad auf dem Argumentationsweg des kirchenleitenden Theologen. Die Ausführungen hierzu entpuppen sich als ein „Schlenker“, der letztlich wieder in die Hauptrichtung seiner beruhigenden Nützlichkeitsüberlegungen einmündet. Auch der Hinweis auf Christus bleibt also argumentativ ganz innerhalb der aufgebauten Relevanz-Logik, deren Kriterium die positive gesellschaftliche Wirkung ist.

Während Misik mit dem Nützlichkeitsargument den Kern und Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens direkt angreift („Gegen Gott“), erscheint die Argumentation des Theologen gerade in diesem Punkt eher ausweichend und defensiv. Das theologische Argumentationsmodell läuft nach dem Motto: den Spieß umdrehen, als sollte gesagt werden: Doch, die Kirche und ihr Glaube sind nützlich und gut für die Gesellschaft! Was Schneider hier führt, ist ein Kirchenbeweis. Die argumentative Grundstruktur ist den Gottesbeweisen in ihrem populären Fassung durchaus ähnlich: Auf Grund bestimmter beobachtbarer Phänomene oder Überlegungen muss es Gott geben. Hier nun: Es muss die Kirche geben („unverzichtbar“, S. 6), weil sie eine politische, gesellschaftliche Wohltat ist. Die Wahrheitsfrage, um die die Religionskritik mit ihrem Nützlichkeitsargument letztlich kreist und die sie damit zu erledigen versucht, wird vom Theologen mit Hilfe desselben Argumentes zurückgestellt, untergeordnet.

Die erste und dritte These der Barmer Theologischen Erklärung in dieser Debatte auch argumentativ auszuformulieren und als begehbaren Denk- und Glaubensweg zu beschreiben, gehört m.E. zu den anstehenden und unerledigten Aufgaben von Theologie und Kirche. Die Herausforderung dazu hat Misik erneut gegeben.

BTE

 

Toleranz konkret – neues Programm

Programm von Juli bis November

„Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein.“ Dieser polemische Satz benennt ein Problem, das mit Polemik nicht zu lösen ist.

Als Nebenwirkung der allseits erhobenen Toleranzforderung ist ein zunehmendes Bedürfnis nach Grenzen und Leitlinien zu verzeichnen. Das Zusammenleben gleicht oft einer „geschlossenen Gesellschaft“, da eingespielte Gewohnheiten, Ratlosigkeit und verzweigte Strukturen die Handlungsspielräume einengen. Die 10 Gebote als die klassischen No goes der christlichen Tradition sind eine kräftige Intervention, ein Eingriff in diese Befindlichkeit. Sie konfrontieren und geben zu denken, denn sie bringen Gott ins Spiel. Das Bedenken und Erproben der biblischen Beziehungs-Ethik führt schließlich zu der Frage: Ist Toleranz ohne die Option des Verzeihens überhaupt denkbar?

In einer Gottesdienstreihe an St. Katharinen und begleitenden Veranstaltungen wird unter dem Jahresthema „Reformation und Toleranz“ den Fragen nachgegangen.

 28. Juli um 10.30 Uhr                                     

„… keine Kompromisse, kein anderes Bier …“ Kein anderer Gott? Christsein zwischen anything goes und Intoleranz

Das erste Gebot.

 

4. August um 10.30 Uhr

Die Gebote der sogenannten Ersten Tafel als Formatierung des christlichen Lebens

 

11. August um 10.30 Uhr

„Du sollst nicht (alle) töten!“

Das fünfte gebot

 

18. August um 10.30 Uhr

„Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“

Das „sexte“ Gebot

 

25. August um 10.30 Uhr

„Wer ist mein Nächster?“

Über die Dreiecksbeziehung im Doppelgebot der Liebe

Gottesdienst mit Kantate, Kantorei St. Katharinen

 

5. September 19.00 bis 21.30 Uhr Akademietagung

Wo Christen nicht mehr mitkönnen.

Widerstand und Protest

Oberkirchenrat Dr. Ulrich Möller (Ev. Kirche von Westfalen)

 

8. September um 10.30 Uhr

„Sie können die Wahrheit doch gar nicht ertragen!“

Über (Lebens-) Lügen und andere Sprechakte

Mit Bläserchor St. Katharinen

 

10. September 19.00 bis 21.30 Uhr

Sieben Wege zum Unglücklichsein – die Tödsünden

Über christliche Lebenskunst

Prof. Dr. Hanna Gerl-Falkovitz, Dresden

 

15. September um 10.30 Uhr

„Das geht ja gar nicht.“

Gibt es christliche Tabus? Über Todsünden und den Tod der Sünde

 

22. September um 10.30 Uhr

„Eltern haben die Leute immer.“

Geht Gott dazwischen? Das vierte gebot und die Generationen

Gottesdienst mit der Alzheimergesellschaft Braunschweig, Bürgermeisterin Fredrike Harlfinger

Musik von J.S. Bach, A. Dvorak u.a.

 

29. September um 12.00 Uhr

Haltet den Sonntag heilig! Er tut uns gut.“

Das dritte Gebot in Aktion

Predigt: Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber

Musik von J.A. Södermann, K.Nystedt u.a.; Kantorei St. Katharinen

 

6. Oktober um 10.30 Uhr Erntedankfest

„Drei, zwei, eins, meins.“

Recht auf Eigentum. Recht auf Wachstum?

Das verflixte siebte, neunte und zehnte Gebot.

 

20. Oktober um 10.30 Uhr

„Jeder nach seiner Facon“ (1)

Christsein im Spannungsfeld verschiedener Lebensentwürfe

 

27. Oktober um 10.30 Uhr

„Jeder nach seiner Facon“ (2)

Urchristlicher Pulralismus als Modell für die Kirche von heute?

Der Beitrag des Völkerapostels Paulus

 

31. Oktober um 19.30 Uhr (Reformationsfest

„Wie viel Religion verträgt die Gesellschaft?“

OKR Dr. Petra Bahr, Kulturbeauftragte der EKD, Berlin

Mit Kantate „Gott, der Herr, ist Sonne und Schild von J.S. Bach (BWV 79); Kantorei St. Katharinen und Solisten, Leitung: LKMD Claus-Eduard Hecker

 

1. bis 3. November:

„Ehrfurcht vor dem Leben“

Symposium zu Albert Schweitzer, 100 Jahre Lambarene

Detailliertes Programm folgt in Kürze

 

17. November um 10.30 Uhr (Volkstrauertag)

„Erlöse uns von dem Bösen“

Heißt tolerant sein, Unerträgliches ertragen müssen?

Vom Umgang mit dem Übel

 

18. November 19.00 bis 21.30 Uhr

Wenn Menschen (für sich selber) untragbar werden

Humanität und Intoleranz

Prof. Dr. Peter Zimmerling, Leipzig

 

20. November um 18.00 Uhr (Buß- und Bettag)

„Hoffnungsvolles Heute“

Literaturgottesdienst über Verstrickung Aufbruch, einen neuen Anfang finden

mit Kammermusik

Georg Renz (Staatstheater Braunschweig); LKMD Claus-Eduard Hecker, Ulrike Hecker, Christiane Hecker, Pfarrer Werner Busch

 

24. November um 10.30 Uhr (Ewigkeitssonttag)

Unerträglich lebensmüde oder alt und lebenssatt?

Christliche Hoffnung zwischen Todessehnsucht, Lebenswillen und Zukunftsgewissheit

Mit Kantorei St. Katharinen, Leitung: LKMD Hecker

 

Quellenangaben zu einzelnen Titeln :

28. Juli: Werbeslogan von Jever Pilsener

18. August: Songtitel von Jürgen Marcus

8. September: Zitat aus dem Film „Top Gun“

6. Oktober: Werbeslogan von eBay

Wie sollen wir leben? Toleranz konkret

Mose 1

Einstimmung auf die Zehn Gebote

„Wie sollen wir leben?“ Dass diese Frage  durch die Jahrtausende hindurch immer neu gestellt wird, bis heute, zeigt: richtiges Handeln und das gute Leben verstehen sich nicht von selbst. Die Frage ist nicht selbstverständlich, war es vielleicht noch nie. Sie bereitet Mühe. Dennoch liegt sie in der Luft. Sie erfordert einen offenen Geist und die Fähigkeit, sich zu verändern.

Haben wir überhaupt eine freie Wahl, so zu leben wie wir es für richtig und gut halten? Die Frage müsste vielleicht präziser so gestellt werden: Wie können wir denn leben? Vieles ist für den Einzelnen schon vorentschieden. Unsere komplexe Gesellschaft funktioniert durch viele Mechanismen und Vernetzungen; wir leben in Zusammenhängen, die wir selber nicht erschaffen haben und oftmals kaum durchschauen. Ethisch zu leben, ist eine besondere Herausforderung. Wie sollen – und können – wir  miteinander leben?

Die 10 Gebote enthalten keine einfachen Antworten auf die gestellte Frage. Sie sind mit ihrem „Du sollst“ starke Signalworte, sie sind konfrontativ und geben zu denken. Sie geben zu denken, weil sich mit ihnen Gott selber ins Spiel bringt: „Ich bin  .. dein ….“. Was kann das bedeuten? Mit den klassischen 10 Worten (Dekalog) tritt ER In die durch Ratlosigkeit und eingespielte Gewohnheiten ‚geschlossene Gesellschaft‘ ein. Energisch stellt ER sich zwischen uns: „nicht töten“, „nicht stehlen“, „nicht begehren“ usw.

„Sich im Denken orientieren“ (Immanuel Kant) und „aus dem Glauben leben“ (Paulus) sind in evangelischer Tradition kein Gegensatz. Es bedeutet: das zwischenmenschliche Zusammenleben als ein Zusammenleben mit Gott neu denken und gestalten. Christus hat das selber gelebt und gelehrt, hat zusammengebracht, was zusammengehört: Gott und Mensch, Mensch und Mitmensch. Wir werden in den Wochen ab Ende Juli der Frage nachgehen, wie man sich in dieser Konstellation zurechtfindet.

Ich lade Sie, liebe Leserin und lieber Leser, herzlich ein, in den Gottesdiensten und Veranstaltungen mit zu bedenken und zu erproben, wie unser Leben ein Leben mit Gott und ein Leben als Mitmensch werden kann. Herzliche Grüße Ihr Werner Busch

Der erste Gottesdienst dieser Reihe: Sonntag, 28. Juli 2013 um 10.30 Uhr in der Katharinenkirche am Braunschweiger Hagenmarkt: „Keine Kompromisse, kein anderes Bier …“ Kein anderer Gott? Christsein zwischen anything goes und religiöser Intoleranz Quelle der Überschrift: Werbung Jever Pilsener

Bild dieses Beitrags: Mose mit den Gebotstafeln (Epitaph für Jürgen von der Schulenburg und seine Frau Lucia an der Westseite im südlichen Kirchenschaff der Katharinenkirche)

Nathan-Inszenierung am Hagenmarkt

image001Die kleine Theatergemeinde, die sich in zufälliger und bunter Zusammensetzung am Sonntagnachmittag (2. Juni 2013) in der Braunschweiger Katharinenkirche eingefunden hatte, ging mit etwas über 30 Personen in der gotischen Hallenkirche beinahe verloren. Am Schluss der Nathan-Inszenierung des Ensembles Theatrum war das Publikum dennoch völlig begeistert.

Zu den Besonderheiten der Inszenierung zählt zweifellos die Verbindung von Text und Musik. Geschickt in den Handlungs- und Dialogverlauf eingefügte musikalische Elemente bewirken, dass die Figuren des Lessingschen Stücks an ihre jeweilige Kultur sinnenfällig zurückgebunden erscheinen, denn die Musiken stammen aus Judentum, Christentum und Islam. Nicht nur in virtueller Reflexion, sondern mit ihrem konkreten kulturellen Ausdruck stehen die Figuren einander gegenüber. Die drei Weltreligionen begegnen sich hier also nicht allein verbal und intellektuell, sondern auch emotional und sinnenfällig.

Die vier ausdrucksstarken und klaren Singstimmen und der Einsatz besonderer Musikinstrumente  (Böhmische Wanderharfe; Persische Santur = traditionelles Saiteninstrument mit ca. 70 Saitern) geben der Iimage005nszenierung einen unverwechselbaren Charakter, der bei den Zuschauern noch lange nachwirkt. Nur am Rande, aber dennoch wichtig: Die akustische Problematik, vor die eine gotische Hallenkirche das Sprechen und Musizieren immer stellt, wird mit geeigneter und einwandfrei ausgesteuerter Tontechnik gut bewältigt. Bei voll besetztem Kirchenschiff wäre es iim hinteren Drittel dennoch etwas schwierig geworden. Wäre …

Die geschickte und nie langweilige Auswahl der verschiedenen z.T. kurzen Musiken aus Judentum, Christentum und Islam haben verschiedene Funktionen:  streckenweise unterlegen sie den Dramentext  mit Stimmungen und öffnen zusätzliche Assoziationsräume; danebimage007en sind sie auch als Szeneneröffnung, manchmal auch wie eine „Blende“  oder -Unterbrechung eingefügt. Insgesamt lässt diese Verknüpfung von Musik und Text einen sensiblen Umgang mit dem Wortlaut des dramatischen Gedichtes erkennen.

Die – nicht durchgängige – Doppelbesetzung des Nathan mit einer männlichen und einer weiblichen Person, die gleichzeitig miteinander auftreten, ist ein gewagter Griff in die dramaturgische Trickkiste. Einige Male bieten beide Sprecher – gleichgewandet – einige Passagen auch gleichzeitig wie ein reduzierter Sprech-Chor dar, was allerdings mehr irritiert als dass es eine wirkliche Hörhilfe ist. Wenn sie jedoch – wie in der Ringparabel sehr eindrucksvoll gelungen – im Wechsel sprechen und sich die Nathan-Rolle gewissermaßen aufteilen, kommen durch die unterschiedlich gefärbten Subtexte sehr wertvolle Nuanimage006cen zum Vorschein. Dadurch wird eine reflexive Spannung in den Text hineingesprochen; eine oszillierende Nachdenklichkeit wird plastisch und einsehbar gemacht. Ein einzelner Sprecher könnte das in einem einzigen Sprechfluss ohne dramatische Verrenkung wohl kaum realisieren.

 

Die Aufführung beginnt mit einem unvermittelten, kontrollierten Clash: der persische Schauspieler Vahid Shahidifar im orientalischen Gewand lässt mit dem kurz gesungenen „Allahu akbar“ den muslimischen Gebetsruf im christlichen Gotteshaus erschallen. Die im weiteren Verlauf des Stücks eingestreuten arabischen Redeanteile – nur einmal ist es etwas zu lang geraten – haben zwar etwas Folkloristisches an sich, erzeugen aber Stimmungen und setzen beim tourismusgeschädigten Zuschauer durchaus brauchbare Assoziationen frei. Man fühlt sich dadurch schon in eine andere Kultur versetzt, ohne es wirklich zu sein – es lebe die Illusion …

An einer Stelle zitiert Nathan, ohne dass nichtkundige Zuschauer das verstehen können, die ersten Verse des alttestamentlichen Schöpfungsberichtes von 1. Mose 1,1-2 in hebräischer Sprache. Er steht dabei im Bühnenbild vor dem brennenden Dornbusch, dem Ort der Gottesoffenbarung. Ist es Absicht, dass gerade ein Exilstext, der auch in der heidnischen Fremde die Schöpfungstaten des Gottes Israels preisen und in ihnen eine mehr als nur provisorische Beheimatung erlebt? Ein tiefsinniger Kniff, diesen Text in das Jerusalem der Kreuzritter und „Muselmanen“ zu setzen. Wenn hierin ein Lösungsansatz versteckt sein sollte, der die interreligiösen Verwicklungen und Krisen mit einem Bezug auf das Elementare / Menschliche zu lösen versucht, wäre das durchaus im Sinne Lessings gedacht und auch eine ausdruckssake theologische Pointe. Allein der nicht hebräisch sprechende Zuschauer wird sie jedoch nicht bemerken …

Es ergibt sich eine im Bühnenbild wohltuend reduzierte, sowohl den Altar als auch die Kirchenfenster hinter sich völlig verbergende Inszenierimage003ung. Dennoch hat die Darbietung ein atmosphärisches Volumen, das den Zuschauer einzuhüllen vermag. Ein etwas merkwürdiges und wohl mit dieser Konzeption auch beabsichtigtes Gefühl begleitet diese Inszenierung wie ein mitlaufender Reflexionshintergrund: eine solche Aufführung ist im Kirchenraum mehr als nur ungewohnt, sie wirkt fremd. Wie in leiser, kaum störender Tinitus begleitet dieses Gefühl das Erlebnis. Man kann es ignorieren. Und tatsächlich: andernorts haben Pfarrer bzw. Kirchengemeinden eine Aufführung im Kirchenraum nicht gestattet, das Ensemble ist dann in Schulen oder Turnhallen „ausgewichen“. Man sollte diese Reaktionen nicht einfach überspringen oder als engstirnig abtun, denn sie weisen auf ein ernst zu nehmendes und nicht leicht zu beantwortendes Problem hin: Können Religionen einander von innen heraus und in ihrem Kern nah sein? Wer seines Glaubens froh und gewiss ist, wird zwar keine Berührungsängste haben, aber diese Frage dennoch nicht so schnell bejahen wollen, wie sie gestellt ist. Dass die Hohenerxlebener dieser Frage eine annehmbare Form gegeben haben, ist sicher ein Verdienst.

Mit dem noch nicht kitschigen aber doch als große und gerade noch erträgliche Harmonie inszenierten Schluss, in dem verschiedener Chorusse aus den drei Religionen kanonhaft ineinanderklingen, ist das inhaltliche Ziel und die Botschaft dieser Inszenierung erreicht. Dieser Schluss bleibt aber hinter den sachlich begründeten Spannungen, hinter den durch Text und Musik gegenwärtig gemachten interreligiösen Befremdlichkeiten zurück, die in dieser Inszenierung zwar nicht besonders krass herausgestrichen werden aber dennoch gut erkennbar in ihr enthalten sind.

Insgesamt: eine sehenswerte Inszenierung, die zum Nachdenken und Weiterdenken anregt.

Christen und Juden

Der Ratsvorsitzende der EKD Nikolaus Schneider soll mit dem Leo – Baeck – Preis des Zentralrates der Juden ausgezeichet werden. Die Verleihung des mit 10.000,- dotierten Preises ist für den 21. November 2013 vorgesehen. Schneider, der Nikolaus Schneiderdamit für seine anhaltendes Engagement in der christlich-jüdischen Aussöhnung geehrt wird, hatte bereits im zurückliegenden Jahr 2012 mit der Buber-Rosenzweig-Medaille des Deutschen Koordinierungsrats der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit bedacht worden.

Landesrabbiner zu Gast an St. Katharinen

Landesrabbiner Jonah Sievers wird am kommenden Dienstag, 18. Juni 2013 um 20 Uhr im Gemeindehaus von St. Katharinen zu einem Vortrags- und Diskussionsabend erwartet. Für den Gemeindepfarrer Werner Busch ist dieser Abend ein Höhepunkt der Veranstaltungsreihe „Gott und Toleranz“, die nun seit einigen Wochen am Hagenmarkt verschiedene Akzente gesetzt hat, zuletzt eine Aufführung von Lessings „Nathan der Weise“.

Der jüdische Gelehrte Jonah Sievers ist über sein GemeinderabbinJonah_Sieversat in der Jüdischen Gemeinde Braunschweig hinaus als Landesrabbiner für Niedersachsen tätig und Mitglied  der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands (ARK), einem liberalen, progressiven Zusammenschluss von Rabbinern unter dem Dach des Zentralrates der Juden.

Der interreligiöse Dialog ist für Sievers eine unverzichtbare Aufgabe seines Rabbinates und wird auch in seinem Vortrag zum Thema „Gottesfrage und Toleranz im jüdischen Glauben“ bedacht werden. Denn in der Gottesfrage sind Judentum und Christentum einander einerseits nah und doch auch in wesentlichen Fragen unterschieden. Der Abend wird in Kooperation mit der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit ausgerichtet und ist öffentlich, Eintritt frei.

Ziemlich große Koalition für’s Jubiläum

LUTHER_CDShortsFür eine bisher einmalige „gremiale Zusammenarbeit“ ist im protestantischen Raum ein gemeinsamer Leitungskreis für das Reformationsjubiläum 2017 gegründet wurden. Schon auf dem Kirchentag im Mai dieses Jahres wurde angekündigt,dass EKD und DEKT für 2017 und darüber hinaus zusammenarbeit wollen.

Diese große Koalition ist wirklich beeindruckend:  EKD, einige Landeskirchen (nicht alle) , Deutscher Evangelischer Kirchentag, Lutherstadt Wittenberg, Wittenbergstiftung, Gemeinschaft Europäischer Kirchen (GEK), Lutherischer Weltbund, ACK und weitere Vertreter von Freikirchen. Eine solche breit angelegte Koordinationsstruktur für die verschiedenen Akteure ist sehr begrüßenswert und erfreulich. Dass auch die europäische Perspektive einbezogen wird, ebenfalls. Immerhin: die Gruppe in ihrer verhältnismäßig bunten Zusammensetzung heißt „Leitungskreis der EKD und des Kirchentages“ und ist mit dieser Anbindung angetreten.

Es gibt allerdings etwas Grund zum Stirnrunzeln: Einige Mitglieder der Runde sind höchste Amtsträger in evangelischen Landeskirchen und tauchen hier mit einem ihrer Neben- bzw. Ehrenämter auf. Vertreten sie auch primär die damit benannte Perspektive oder letztlich doch nur die Sichtweise ihres bischöflichen oder präsidialen Hauptamtes? Man hat sich hoffentlich nicht einfach nur die Ämterkumulation zunutze macht, um möglichst viele Institutionen als beteiligt bezeichnen zu dürfen; gewiss hat es über die Einbeziehung dieser Einrichtungen entsprechende vorbereitende Diskussionen, Kriterien und Beschlüsse in den zuständigen Gremien gegeben …

Man kann nur wünschen, dass dieser breite kooperative Ansatz auch als Chance für die theologische Arbeit in Sachen Reformationsjubiäum und ihrer Vermittlung genutzt wird. Es wäre toll, wenn dadurch auch die inhaltlichen Aspekte eine starke und mehrstimmige Repräsentanz erhielten, und wenn durch den innerprotestantischen Pluralismus auch ein gewisses Korrekturpotential wirksam wird, aber mehr noch: dass dadurch die ganze Sache Aufwind bekommt und eben nicht auf die wenigen bisher öffentlich wahrnehmbaren Akteure begrenzt bleibt.

P.S.: Dass ausgerechnet die VELKD nicht ausdrücklich vertreten ist, muss man mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen. Ebenso fehlt eine eindeutige Reformierte Institution. Kommt vielleicht noch …