Archiv der Kategorie: Aktuell

Personaler Narzismus – Auskopplung Nr. 1

10. November 2016 – Wort zum Alltag im Braunschweiger Dom zum Geburtstag von Martin Luther (überarbeiteter Auszug aus einem Vortrag zum Reformationsjubiläum 2017)

LUTHER_CDShortsDieser Mann  ist für viele immer noch die Persönlichkeit des evangelischen Glaubens. Nicht wenige nennen das kommende Reformationsjubiläum 2017 deshalb auch – fälschlich – „Lutherjahr“. Eine kantige Persönlichkeit, ein ausdrucksstarker Prediger und kämpferischer Theologe. Ein Mann, von dem man Menschliches und viel Persönliches weiß und der unbestreitbar Großes angestoßen hat – das fasziniert. Sein aufbrausender Charakter, seine Liebe zur Musik, seine Ehe mit Katharina von Bora, seine innige Freundschaft mit Johannes Bugenhagen, dem Reformator unserer Stadt. Seine geniale Sprachkraft, der Lebensweg und das Lebenswerk dieses impulsiven Beinahe-Märtyrers – das ist einfach eine beeindruckende und für viele mitreißende Geschichte. Für die einen ist Luther wegen einiger sehr problematischer Äußerungen ein höchst umstrittener, für andere wiederum bis heute ein sehr inspirierender Geist.

„Kaum eine Religion bzw. Konfession hat einen derartigen personalen Narzissmus entwickelt, wie gerade die Lutheraner.“[1] attestiert uns der reformierte Theologe und Kulturanalytiker Andreas Mertin. Dem Wittenberger Reformator wurden Denkmäler gebaut, Kirchen und Gemeindehäuser wurden nach ihm benannt, auch in Braunschweig, und sein Konterfei ziert schon seit Jahren und besonders für nächstes Jahr zahllose Veranstaltungshinweise. Wie ein ferner Spiegel hängt das Bild dieses Menschen vor uns und wir suchen in ihm unsere eigenen Konturen. Wir suchen Ähnlichkeiten und suchen Anregung im Lebensbild dieses Mannes. Wir angepassten und in großen gesellschaftlichen Trends mitgefangenen Zeitgenossen des 21. Jahrhunderts können uns einfach nicht sattsehen an diesem widerständigen und schöpferischen Typen Martin Luther.

Sind wir heute möglicherweise – wieder – in einer Zeit, in der starke eigenwillige Charaktere und Querdenker unsere Herzen leicht gewinnen können allein schon damit, dass sie anders sind als der etablierte Mainstream? Sind die Denkzettelwahlen in deutschen Bundesländern und amerikanischen Bundesstaaten vielleicht ein Indiz dafür, dass die Unangepassten und die Tabubrecher etwas in den Menschen anrühren, eine Sehnsucht bedienen, die lange unbeachtet und unkultiviert geblieben ist? Luther den ersten Wutbürger zu nennen, wie kürzlich im Spiegel-Magazin[2] – damit verkennt man wohl den komplexen Charakter dieses Mannes und die theologische Tiefe seiner Texte. Nicht Luther, aber vielleicht seine späte, heute neu aufflammende Bewunderung sagt etwas über unsere verrückte Gegenwart.

Es ist an der Zeit, den Mann selber beim Wort zu nehmen. In dem berühmten Verhör auf dem Reichstag zu Worms 1521 sagte er: „Ich bin ein Mensch und nicht Gott. … Wie viel mehr muss ich erbärmlicher Mensch, der nur irren kann, bereit sein, jedes Zeugnis wider meine Lehre, das sich vorbringen lässt, zu erbitten und zu erwarten.“ Gespielte Bescheidenheit oder echte Skrupel? Wahrscheinlich eine Mischung von beidem, immerhin ging es für ihn um Leben und Tod. Noch ehe man ihn auf Sockel gestellt und mit Baldachinen beschirmt hat, relativiert er sich selbst. Wir sollten aufhören, darin nur Koketterie zu sehen und es wörtlich nehmen.

Aber wir wollen nicht. Wir verstecken uns lieber hinter dem breiten Rücken herausragender Persönlichkeiten. Wir delegieren an die sogen. „Originale“ die Aufgabe, selber ein unverwechselbares Individuum zu sein. Wir übertragen unsere Berufung als Christen, die uns in der Taufe geschenkt wurde, gerne an die besonderen Amtsträger und vergessen, dass wir selber in eigener Verantwortung unvertretbar vor Gott und in dieser Welt stehen. Und wir sind enttäuscht, gekränkt, verärgert, wenn wir merken, dass die geschätzten Vorbilder keine Fixsterne sind, sondern wandernde Planeten auf schwankenden Laufbahnen.

Liebe Protestanten, ist es nach 500 Jahren nicht endlich Zeit, dass euer evangelischer Glaube reif wird? Reif und frei von der Anhänglichkeit an die großen Figuren? Frei von den inspirierenden Gestalten, die doch nur Menschen sind und nicht Gott.

Ein Adler schubst seine Jungen aus dem Nest, damit sie selber fliegen lernen. Gott nimmt uns unsere Heiligen und entzaubert unsere Vorbilder, damit wir selber ans glauben kommen. Religiöse Genies, volkstümliche Amtsträger und interessante Lebensgeschichten haben für unser Christsein nicht viel zu bedeuten. Ihm vertrauen, von Ihm Halt und Heil erbitten, Wegweisung und Geist von Ihm erwarten, das ist ein Wagnis, das uns niemand abnehmen kann. Es wird Zeit, dass wir uns nach 500 Jahren davon verabschieden, schon das Nacherzählen alter Geschichten und das Abdrucken längst verblichener Gesichter für Predigt und Erbauung zu halten. Das ist keines Festes wert. Lasst uns nicht die Wiederentdeckung des Evangeliums von vor 500 Jahren feiern. Lasst uns das Evangelium feiern!

Eine biblische Warnung steht im Jahr 2017 über unserem evangelischen, und vielleicht besonders über unserem lutherischen Kirchentum. Ein kritisches Gotteswort mit werbendem Unterton aus Jeremia 2. „Mich, die lebendige Quelle, verlassen sie und machen sich Zisternen, die doch rissig sind und das Wasser nicht halten.“ [3]

Wem es schwer fällt, Worte der Heiligen Schrift so unmittelbar auf sich wirken zu lassen, dem mag ein Zitat von Martin Luther selbst vielleicht den Weg zur Quelle zurück weisen. „Erstens bitte ich, man wolle von meinem Namen schweigen und sich nicht lutherisch, sondern einen Christen nennen. Was ist Luther? Ist doch die Lehre nicht mein! Ich bin auch für niemanden gekreuzigt. Wie käme denn ich armer, stinkender Madensack dazu, dass man die Kinder Christi dürfe nach meinem nichtswürdigen Namen nennen? Nicht so liebe Freunde! Lasst uns tilgen die parteiischen Namen und uns Christen heißen, nach Christus, dessen Lehre wir haben. Ich bin und will keines Menschen Meister sein. Ich habe mit der Gemeinde die eine, allgemeine Lehre Christi, der allein unser Meister ist.“

Wir schließen mit einem Gebet aus Psalm 63: „Gott, du bist mein Gott, den ich suche. Es dürstet meine Seele nach dir, mein Leib verlangt nach dir aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist. So schaue ich aus nach dir in deinem Heiligtum, wollte gerne sehen deine Macht und Herrlichkeit.“

Amen.

 

[1]  Andreas Mertin, Mann Ø Mann, in: Ta katoptrinzomena. Das Magazin für Kunst / Kultur / Theologie / Ästhetik Nr.  103, (Themenheft „Kirchenmusik“). http://www.theomag.de/103/am556.htm

[2]  http://www.pro-medienmagazin.de/journalismus/detailansicht/aktuell/spiegel-ueber-luther-der-erste-wutbuerger-98093/

[3]  Jeremia 2,13.

 

Johannes der Täufer und PEGIDA

St Katharinen Braunschweig„In diesen Wochen kommt man kaum daran vorbei, in öffentlichen Reden mindestens einen Seitenblick auf die Ereignisse rund um das PEGIDA-Phänomen zu werfen.“ Pfarrer Werner Busch hat in drei Predigten zu Lukas 3 mehr oder weniger direkt Bezug darauf genommen.

Die Predigten können hier herunter geladen werden.

 

„Freijo“: Predigt zu Lukas 3 am 11. Januar 2015

„Entwurzelung“: Predigt zu Lukas 3 am 18. Januar 2015

„Ja.“ Predigt zu Lukas 3 am 25. Januar 2015

 

 

Weihnachten in St. Katharinen

Herzliche Einladung zu den Festgottesdiensten!

In der Pfarrkirche am Braunschweiger Hagenmarkt

 

Heiligabend

16.30 Uhr Christvesper mit Kantorei

18.00 Uhr Christvesper mit Posaunenchor

23.00 Uhr Musikalische Christnach mit Kammermusik

 

1. Weihnachtstag

10.30 Uhr Festgottesdienst mit Erster Kantate des Weihnachtsoratoriums von J.S. Bach

 

2. Weihnachtstag

10.30 Uhr Gottesdienst mit Pfarrer i.R. Hoachim Vahrmeyer

 

Sonntag, 28. Dezember

10.30 Uhr Gottesdienst mit Pfarrer Werner Busch

 

Altjahrsabend, 31. Dezember

17.00 Uhr Gottesdienst mit Pfarrer Werner Busch

 

 

 

Festliche Trauer am Ewigkeitssonntag

„Musik kann trösten und erheben, gerade im dunkelgrauen November mit seinen ernsten Gedenktagen“ kündigt der leitende Kirchenmusiker der Braunschweiger Landeskirche Claus-Eduard Hecker einen besonderen musikalischen Gottesdienst in der Braunschweiger Katharinen-Kirche an. Am kommenden Ewigkeits- und Totensonntag (23. November 2014) wird um 10.30 Uhr in der Kirche am Hagenmarkt der Gottesdienst mit einem Choralkonzert für Solostimmen und mit Orgelwerken gefeiert. Unter Heckers Leitung werden Kathrin Hildebrandt (Alt) sowie Jörn Lindemann (Tenor) und Dietmar Sander (Bass) die Kantate von Dietrich Buxtehude „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ aufführen, begleitet von zwei Violinen und Basso continuo. Auch Orgelwerke von Johann Sebastian Bach werden zu Gehör kommen.Busch

Zum Ende eines Kirchenjahres erinnern sich viele an diejenigen Menschen aus ihrem Leben, die sie seit kurzem oder langem vermissen. Kein ganz einfacher Tag.

weiß Seelsorger und Katharinenpfarrer Werner Busch, der die Predigt halten wird. Die Kirche mache am Totensonntag ein Angebot, das der Nachdenklichkeit eine gute Form gibt und manchem weiterhilft.

Es wird ein musikalischer Gedenk- und Hoffnungsgottesdienst werden.

Volkstrauertag 2014 in St. Katharinen

Hier: Predigt von Pfarrer Werner Busch zum Volkstrauertag 2014 in St. Katharinen

1. WK Braunschweig„Erinnerungsarbeit ist schwer“. In seiner Predigt zum Volkstrauertag ging Katharinenpfarrer Werner Busch auf eher informelle Gedenkweisen ein, die gewissermaßen unterhalb des öffentlichen Radars stattfinden. „Volkstrauertags-Gedenken ist auch eine Sache der Familien, und da wird man merken: es gibt mehr Fragen als Antworten.“ Deshalb sei, so Busch, an den Küchentischen darüber oft mehr geschwiegen als offen geredet worden. „Auch eine Kirchengemeinde hat ihre Vorgeschichten und Erinnerungen an jene schicksalsträchtigen Kriegsjahre.“ Busch berichtet in seiner Predigt vom Gemeindepfarrer Martin Bücking, dem „Redner vom Schlossplatz“. Als nationalkonservativer Gemeiondepfarrer am Hagenmarkt war er zugleich Herausgeber der umfangreichen Heftsammlung „Die Braunschweiger im Weltkriege“. So hat er das Kriegsgedenken in Braunschweig maßgeblich mitgeprägte. Auch an Katharinenpastor Johannes Schlott wird erinnert, der als Gauleiter der Deutschen Christen eine hervorgehobene Rolle in der nationalsozialistischen Zeit gespielt hat.

Während im AOK-Gebäude knapp 300 m von hier entfernt junge Männer von den Nazis grausam zu Tode gefoltert und irgendwo bei Königslutter be-graben wurden, hielt Katharinenpastor Schlott auf dem evangelischen Hauptfriedhof feierliche Trauerreden für SS-Leute.

Wie soll die Kirchengemeinde St. Katharinen mit dieser Vorgeschichte am Volkstrauertag das Gedenken praktizieren?

Wir beklagen die Qualen und den Tod all jener, für die von hier aus sich niemand öffentlich eingesetzt hat. Wir können nur stellvertretend für unsere Vorfahren tun, was sie selbst öffentlich nicht taten: um Vergebung bitten und rufen: Herr, erbarme dich.

Und gleichzeitig:

Wir verurteilen die Menschen nicht, die vor uns schuldig wurden und auf deren Schultern wir doch stehen müssen. Denn wir wissen, dass Gott barmherzig ist. Und dass durch Christus ein Vergeben gekommen ist. Wir wissen: Das Böse wird nicht überwunden durch unerbittliches Urteilen. Das Böse wird nicht überwunden durch politisch korrektes Abkanzeln und Niedermachen. Auch nicht durch kaltes Distanzieren von den fragwürdigen Vorfahren und Vorgängern. Das Böse wird überwunden durch Stellvertretung, durch Verzeihen, „allein durch Gnade“. Wir wünschen den Menschen im Nahen Osten, dass diese Erfahrung dort irgendwann, Gott gebe: möglichst bald, eine Chance bekommt.

Bildsprache einer Beziehung

Archivbild Pieta St. Katharinen
Archivbild Pieta St. Katharinen

Samstag, 15. November 2014 im Gemeindehaus

10.00 Uhr: Eröffnung und Einführungsvortrag (W. Busch)
anschl.: „Das Kriegstotengedenken an St.Katharinen in Braunschweig im Spiegel ihrer Denkmäler“ (W. Heinemann)
anschl.: „Sensible Beziehungsarbeit – die Trauerfeiern für getötete Soldaten“ (Militärseelsorgerin Petra Reitz)
13.30 Uhr: Schluss der Tagung

Die Akademietagung zum Thema „Reformation und Politik – über die Bildsprache einer Beziehung“ beginnt entgegen bisheriger Ankündigungen erst am Samstag, den 15. Nov. 2014 um 10 Uhr im Gemeindesaal in St. Katharinen. „Das Thema bleibt“, versichert Katharinenpfarrer Werner Busch, zugleich Regionalstudienleiter der Akademie Abt Jerusalem, die diese Tagung veranstaltet. „In der Katharinenkirche am Hagenmarkt hat es nach dem 1. Weltkrieg eine für die damalige Zeit typische, fast monumental anmutende Erinnerungsform an die getöteten Soldaten aus der Katharinengemeinde gegeben. Darin manifestierte sich in besonders eindrücklicher Weise das kulturprotestantisch geprägte Verhältnis zwischen Kirche und Staat.“ [siehe Archiv-Foto] Kirchenführer an St. Katharinen Werner Heinemann hat die historischen Einzelheiten zu diesem Denkmal in Archiven gesammelt und stellt die Ergebnisse in seinem Vortrag über „Das Kriegstotengedenken an St.Katharinen in Braunschweig im Spiegel ihrer Denkmäler“ vor. Die Katharinenkirche pflegte damit ein Stück lokaler Gedenkkultur; das Katharinendenkmal für die „Gefallenen“ wurde nach dem 2. Weltkrieg entfernt und in eine veränderte Form gebracht, die durch Umbaumaßnahmen nach wenigen Jahrzehnten erneut entfernt wurde. Inzwischen gibt es innergemeindliche Diskussionen zu diesem Thema, die durch diese Tagung gefördert und weitergeführt werden sollen. „Wir befinden uns in der seltenen und interessanten Situation, dass ein groß gestalteter Gedenkort abgebaut wurde und wir nun vor der Aufgabe stehen, ob und in welcher Form es in unserer Kirche ein zeitgemäßes, theologisch verantwortetes Erinnern geben soll.“ beschreibt der Gemeindepfarrer die gegenwärtige Herausforderung. Dass die Bildsprache solcher Denkmäler die besondere Beziehung zwischen Kirche und Staat dokumentiert, wird am Samstag auch anhand von Trauerfeiern für getötete Soldaten in jüngster Zeit weiter bedacht werden. Mit einem Vortrag der Militärseelsorgerin Petra Reitz aus Hannover wird der Boge in die Gegenwart gespannt. Sie ist von kirchlicher Seite federführend bei öffentlichen Trauerfeiern für getötete Soldaten beteiligt gewesen. Nach einem Informationsteil über das Protokoll solcher in Fachkreisen „riskant“ bezeichneter Trauerfeiern wird die Militärseelsorgerin anhand von Video-Sequenzen weitere Erläuterungen anfügen.

2-Tagesreise zum Thema „Glaube und Politik“ nach Berlin

Topographie des Terrors 2 „Wir unternehmen eine Reise in die sehr wechselvolle Beziehung zwischen Kirche und Staat“ kündigt Katharinenpfarrer Werner Busch eine 2-Tagestour nach Berlin an. Am 21. und 22. Oktober stehen verschiedene Besichtigungsstationen in der Hauptstadt mit geführten Besichtigungen zum Thema „Glaube und Politik“ auf dem Programm.

Der Berliner Dom ist das erste Ziel der Themenreise. Mit seiner besonderen Architektur aus dem 19. Jahrhundert ist er ein Ausdruck des evangelischen Staatskirchentums im Deutschen Kaiserreich. Umstritten war das Gebäude von Anfang an und erneut bei der Wiederöffnung im Jahr 1993. „Wahrheit braucht keine Dome.“  So begann der damalige Ratsvorsitzende der EKD Peter Beier seine Festpredigt zum Wiedereinweihungsgottesdienst und markierte damit die geistliche Problemzone dieses und damit auch anderer protestantischen Prachtbauten, die die Verbindung von Thron und Altar wiederspiegeln. Derzeit beherbergt diese prominente Kirche auf der Spree-Insel eine Sonderausstellung zum Jahresthema der EKD „Reformation und Politik“, für die nach einer thematischen Führung ebenfalls Zeit sein wird.
Wilhelm Groß

In eine ganz andere historische Situation wird die Reisegruppe durch eine thematische Einheit im Dokumentationszentrum „Topographie des Terrors“ geführt. Anhand von Martin Niemöller als einem der Hauptvertreter der Bekennenden Kirche wird die neue Lage beleuchtet, in die evangelischen Christen im Dritten Reich gekommen waren. Die Haltung selbst vieler Mitglieder der Bekennenden Kirche zur Nazi-Diktatur war nicht in der Weise staatskritisch, wie man sich das aus heutiger Perspektive wünschen würde. Anhand von Extremsituation werden Herausforderungen und Problemkonstellationen erkennbar, die in „normalen“ Zeiten weniger deutlich erkennbar, aber denn wirksam sind.
Berliner Dom Maren Glockner

Eine besondere Stellung innerhalb der Bekennenden Kirche nahm der jüdisch-stämmige christliche Bildhauer und Prediger Wilhelm Groß ein. Seine Werke spiegeln einen eigenen, theologischen und aus persönlicher Frömmigkeit gespeisten Expressionismus wieder, in dem der Künstler die auch für ihn selbst kritische Lage intensiv und sehr eindrücklich reflektierte. Eine Ausstellung im Schloss Oranienburg zeigt zahlreiche Werke, die sein Sohn, der in Braunschweig lebende frühere Katharinenkantor, Karsten Uwe Groß mit seinem Engagement ermöglicht hat.

2-Tagesreise zum Thema „Glaube und Politik“ nach Berlin

  • Dienstag, 21. Oktober (Abfahrt 10 Uhr) bis Mittwoch, 22. Oktober 2014 (Rückkehr 21 Uhr)
  • Preis: 165,- € incl. Bustransfer, 1 Hotelübernachtung im Mercure Hotel mit Frühstück, Eintritte bei den Besichtigungen. EZ-Zuschlag 25,50 €.
  • 60,- € Anzahlung bei Anmeldung
  • Mindestteilnehmerzahl 28
  • Anmeldeschluss 31. August 2014
  • Anmeldeformular hier oder im Gemeindebüro Tel. 0531 – 44 66 9
  • Veranstalter: Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Katharinen; Reiseleitung Pfarrer Werner Busch und Elke Schünke (Kirchenvorstand St. Katharinen

Gedenken an den 1. Weltkrieg

1. WK BraunschweigAndacht von Pfarrer Werner Busch in St. Katharinen am 1. August 2014 anlässlich des Gedenkens an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914.

Wir folgen einem Aufruf der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und halten heute, am 1. August, Andacht anlässlich des Gedenkens an den Ausbruch des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren.
Die Erinnerungen an die Ereignisse im August 1914 und den danach folgenden 4 Jahren, vor allem aber das Gedenken an die Opfer auf allen kriegführenden Seiten mahnen uns heute zu Frieden und Versöhnung.
Wir kehren ein in Gottes Gegenwart und stellen uns den Verirrungen derer, die vor uns waren. Und wir rufen Gott um sein Erbarmen an angesichts menschlicher Verstrickungen und bitten ihn: „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.“

Folgender Text ist ein Zitat aus: Die Braunschweiger im Weltkriege, Herausgegeben von Martin Bücking, Pastor an St. Katharinen, Heft 1, Seite 6 und 7:

Am 31. Juli 1914 war’s nicht nur heißes Wetter, sondern auch schwüle Stimmung in allen Herzen.Krieg? Gibt’s Krieg? Da geschah es, dass zwischen 5 und 6 Uhr ein Trupp Husaren mit einem Leutnant und einem Trompeter durch die Straßen ritten. An den Ecken und auf den Plätzen machten sie Halt. Vom Kohlmarkt aus marschierte in festem Schritt ein Halbzug vom Infanterie-Regiment Nr. 92. Geführt von einem Leutnant: Auch sie machten an den Straßenkreuzungen Halt, traten um den Offizier; kurzer Trommelwirbel, und dieselben Worte ertönten, wie sie der Husarenoffizier verlas: „Erklärung des Kriegszustandes. Durch kaiserliche Verordnung ist der Bezirk des X. Armeekorps in Kriegszustand erklärt. Die vollziehende Gewalt innerhalb des Korpsbezirks geht infolgedessen an mich über. –Die Zivilverwaltungs- und Gemeindebehörden verbleiben in ihrem Amt, haben aber meinen Anordnungen und Aufträgen Folge zu leisten. Der kommendierende General des X. Armeekorps. V. Emmerich.“
Ernst, sehr ernst blieb die Stimmung. […] Am Sonnabend, dem 1. August, nachmittags 5 Uhr 15 Minuten [ordnete] der Kaiser die Mobilmachung aller Streitkräfte der Armee und der Marine an. Nach Verlauf einer Stunde erschienen an den Postgebäuden rote Plakate mit den Worten: „Mobilmachung befohlen. Der erste Mobilmachungstag ist der zweite August.“ Nach in der Nacht vom 1. zum 2. August lasen die Menschen an den Anschlagssäulen und an allen öffentlichen Stellen mit ernsten Gesichtern die Verfügungen des kommandierenden Generals über die Einberufung der Mannschaften und den Landsturmaufruf. […]
Jetzt dachte ein jeder: das wird ein Hetzen und Jagen, ein Überstürzen und Laufen werden, dass eine dem andern die Hacken abtritt. Wirklich? Im Gegenteil! […] Einer der draußen an der Helmstedterstraße wohnt, hat’s mir gesagt: das Rollen, das Rollen – das habe ihn nicht schlafen lassen. Dieses gleichmäßige, langsame, nie abreißende Rollen der Eisenbahnzüge. Will ich das Tempo der Mobilmachung bezeichnen, muss ich immer an die verminderte, aber gleichmäßige Geschwindigkeit der Eisenbahnzüge denken.“

Lesung aus Psalm 85
HERR, erweise uns deine Gnade und gib uns dein Heil! Könnte ich doch hören, was Gott der HERR redet, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, damit sie nicht in Torheit geraten. Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten, dass in unserm Lande Ehre wohne; dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen; dass Treue auf der Erde wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue; dass uns auch der HERR Gutes tue und unser Land seine Frucht gebe; dass Gerechtigkeit vor ihm her gehe und seinen Schritten folge.

Gebet von Johann Agricola (1494-1566)
Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ, ich bitt, erhör mein Klagen; verleih mir Gnad zu dieser Frist, laß mich doch nicht verzagen. Den rechten Glauben, Herr, ich mein, den wollest du mir geben, dir zu leben, meim Nächsten nütz zu sein, dein Wort zu halten eben.

 

Andacht von Pfarrer Werner Busch im Rarhmen des Mittagsgebetes im Braunschweiger Dom am 2. August 2014:

Kriegsgedenken in evangelischen Kirchen kann heute kein Heldengedenken mehr sein.
Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts empfand man in der Bevölkerung und auch in unseren Kirchengemeinden allerdings noch große Dankbarkeit und ehrenvolle Anerkennung für die Opferbereitschaft der Soldaten. Man pflegte den Heldenmythos derer, die ihr Leben auf den Schlachtfeldern hingaben. Man errichtete ihnen Gedenktafeln und Denkmäler. Dass auch sie grausam töteten und die Gewalt, an der sie starben, zuvor selbst verübten, blieb meist ausgeblendet. Und was das massenhafte Töten auf den grausigen Schlachtfeldern mit den überlebenden Kriegern und ihren Familien gemacht hat, auch. Gebrochene, verstörte Menschen kehrten in die Dörfer und Städte zurück. Doch die persönliche Tragik wurde überblendet von dem Eindruck der nationalen Niederlage und der empfundenen Schmach, die die Siegermächte über die Verlierer verhängten.

Das Heldengedenken in den Kirchen hat die große Schuld ignoriert. Es war Verblendung im Spiel, eine so tiefgehende Befangenheit in den Nationalismen, dass selbst der Glaube an den Einen Gott und das Gebot einer allgemeinen Menschenliebe davon völlig beherrscht wurden. Thron und Altar bedeutete eben auch: Kirche und Krieg. Die zeitgleich erwachende ökumenische Bewegung hat das Schlimmste nicht verhindern können. Die Christen europäischer Länder gingen zweimal innerhalb weniger Jahrzehnte „für Gott, Volk und Vaterland“ mit Waffen, mit Menschenverachtung und Hass aufeinander los. Dem Leib Jesu, die Kirche Christi wurden tiefe Wunden geschlagen, die noch lange schmerzen und inzwischen vernarbt sind.

Heute stehen europäische Christen im Gebet und im Einsatz für Versöhnung und Frieden zusammen. In der Gemeinschaft der Evangelischen Kirchen Europas (GEKE) und mit den konkreten ökumenischen Partnern pflegt unsere Kirche, pflegen Kirchengemeinden und der Braunschweiger Dom gute Beziehungen ins Ausland. Beziehungen, die unabhängig von den welt- und tagespolitischen Fragen Bestand und Inhalt haben. Beziehungen, die auf einem anderen Fundament als dem der politischen Vernunft oder irgendeiner kulturellen Übereinkunft stehen. Wir wissen ja, wie schnell so etwas umschwenken kann.

Das Fundament, das wir in diesen Tagen des Kriegsgedenkens erneut suchen, um uns darauf zu gründen, das Fundament unserer Beziehungen und unserer Zukunft ist nicht mit menschlichen Händen und menschlicher Weisheit gebaut. Wir wenden uns Gott zu, und greifen nach dem, was ein Psalm-Beter einmal gesagt hat: „Er zog mich aus der grausigen Grube, aus lauter Schmutz und Schlamm, und stellte meine Füße auf einen Fels, dass ich sicher treten kann.“ (Psalm 40,3)
Es ist der unverfügbare Gott, der sich uns in freier Liebe zuwendet, ja sich uns schenkt. In der Person und durch den Weg Jesu Christi ist er allen Menschen in Liebe zugewandt. Wir dürfen ihn nicht für nationale oder andere gruppenegoistische Zwecke vereinnahmen wollen. Glaube und Lokalpatriotismus sollten keine zu enge Verbindung eingehen. Gott
vermählt sich nicht mit unseren Themen. Man verliert Ihn dadurch. Ihn, der sich von uns doch suchen und finden lassen will. Wer Christus hat und von ihm gehalten ist, kann keinen anderen Menschen mehr als Fremden links liegen lassen.

Die Umkehr zur Versöhnung ist deshalb ein notwendiger Schritt der Kirchen und aller Christinnen und Christen. Wer den Nächsten sieht, den wirklichen fremden Nächsten und ihm das Herz aufmacht, erlebt eine Erneuerung des Glaubens, weil Christus selber auf seinem verborgenen Weg durch die Zeiten und Orte unsere Grenzen überschreitet und unterwegs ist zu denen, die in Unheil und Unfrieden sich nach Genesung und Frieden sehnen. Sein Ruf in die Nachfolge ist ein Ruf auf diesen Weg zu den Menschen. Deshalb gilt, was Paulus im Römerbrief schreibt: „Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ (Römer 12,18) Eine Erneuerung des Glaubens, eine Reformation in den Kirchen und Gemeinden kommt in Sicht, wenn wir uns dahin rufen lassen, wo Er schon längst ist.

Das gemeinsame Gebet um Frieden mag der erste Schritt sein: „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.“ (EG 421). Wir schauen nach Israel und Pälastina, wo die Parteien sich verkämpfen und die Gewalt eskaliert. Betend treten wir für die ein, die zu dieser Bitte vielleicht nicht mehr fähig sind: „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.“
Wir schauen in die Ukraine, auf europäischen Boden. „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.“ Mit Schrecken schauen wir in den Irak, nach Syrien und Lybien, wir treten für die verängstigten, ausgelaugten und flüchtenden Menschen ein: „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unsern Zeiten.“

Amen.