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Bischof gegen Ausverkauf des Sonntags

Der Tag hatte seinem Namen alle Ehre gemacht.  Es war ein sonnenüberstrahlter Septembertag gewesen. Sonntag. Und wie jeden Sonntag läuteten die Glocken der Braunschweiger IExif_JPEG_PICTUREnnenstadtkirchen, luden zu den Gottesdiensten ein. „Danke für diesen guten Morgen„, mag wohl in mancher dieser Kirchen gesungen worden sein. Der Klassiker aus den 60er Jahren bringt zum Ausdruck, was Sonntag und Gottesdienst für viele Menschen bedeuten: Zeit zum Nachdenken über das Leben, Zeit zum Atemholen und Kraft schöpfen. Doch das war dieser Sonntagmorgen für viele Mitarbeterinnen und Mitarbeiter in den Geschäften der Braunschweiger Innenstadt nun gerade nicht. Und ob für alle anderen Menschen, die am Nachmittag einmal mehr in die Rolle des Kunden schlüpften, eine alltägliche Beschäftigung am Sonntag wirklich erholsam und eine so tolle Freizeitaktivität ist, kann man begründet bezweifeln. Während vormittags noch in den Kirchen die Orgeln zum gemeinsamen Gotteslob aufspielten und das Vaterunser die unausgesprochen Sorgen der Leute in sich aufnahm, während die Pastoren predigten und die Altarkerzen flackerten, wurde in den Geschäften, Passagen und Arkaden schon der „verkaufsoffene Sonntag“ vorbereitet.

Landesbischof Professor Dr. Friedrich Weber war auf Einladung der Ev.-luth. Propstei Braunschweig und der Kirchengemeinde St. Katharinenin Mose 2an diesem Sonntag, den 29. September 2013, im Gottesdienst am Braunschweiger Hagenmarkt zu Gast und predigte über das Feiertagsgebot. „Wir wollen ein Zeichen setzen“, begrüßte Gemeindepfarrer Werner Busch die versammelte Gemeinde, „damit unsere Gesellschaft das Geschenk des Sonntags nicht aufs Spiel setzt.“ Mit Laudate Dominum lud die Kantorei unter der Leitung von Landeskirchenmusikdirektor Claus-Eduard Hecker die Gemeinde zum befreiten Gotteslob ein und sorgte mit weiterer Chormusik für die „Erhebung des Gemütes“, wie es im Grundgesetzt zum Schutz des Sonntags heißt.

Dass die 10 Gebote mit ihrem freiheitlichen Auftakt als ein „ein aktueller, zeitgenössischer und moderner Ansatz“ begriffen werden können, hat Landesbischof Weber gleich zu Beginn seiner Predigt herausgestellt. „… dein Gott, der dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft herausgeführt hat.“ In seinen Ausführungen machte der kirchenleitende Theologe deutlich, dass in der biblischen Botschaft ein emanzipatorischer Freiheits-Impuls mit einem im besten Sinne konservativen Anliegen verknüpft ist. Konservativ im Sinne von: Bewahrung von Lebensqualität und Humanität. Bindung und Freiheit sind kein Widerspruch, so der Landesbischof. „Ob eine Bindung gut ist und darum Freiheit schenkt, hängt davon ab, an wen ich mich gebunden habe.“ Ohne es explizit auszuführen, wird deutlich, wer gemeint ist: die Gemeinde schaut auf Christus, wie er im östlichen Kirchenfenster der Katharinenkirche vom Sonnenlicht zum Leuchten kommt.

Das Feiertagsgebot als Eröffnung von Freiheit, so versteht der Landesbischof das Gebot. Gegen immer neue Versuche, den Sonntagsschutz durch verkaufsoffene Sonntage auszuhölen, macht Weber mit klaren Worten die Menschenfreundlichkeit und das Lebensdienliche des Feiertagsgebotes deutlich: „Laß dich nicht zu Tode hetzen! Weder durch pausenloses Arbeiten noch durch ständige Ver­gnügungsjagd und Landesbischof Prof. Dr. Weber titel2schon gar nicht durch Zwang, auch noch am Sonntag dem Konsum frönen zu müssen.“

Was Weber weiter in seiner Predigt sagte, etwa mit einem bemerkenswerten Zitat des badenwürttembergischen Ministerpräsidenten Wilfried Kretzschmann, kann man    hier    weiter nachlesen und downloaden. An das Predigtmansukript angehängt ist eine Thesenreihe des Landesbischofs zur Sonntagsheiligung.

Nach dem Gottesdienst gab’s auf dem Kirchvorplatz noch Kirchenkaffee. Wann hat man während der Woche schon mal Zeit zum ungezwungenen Small talk ohne gleich wieder vom Alltagsstress beansprucht zu werden? Sonntags nach dem Gottesdienst ist eigentlich eine gute Zeit dafür …

29.9: Gottesdienst am verkaufsoffenen Sonntag

Landesbischof Prof. Dr. WeberLandesbischof Professor Dr. Friedrich Weber wird auf Einladung der Propstei Braunschweig und der Kirchengemeinde St. Katharinen am kommenden Sonntag in einem besonderen Gottesdienst um 12 Uhr in der Katharinen-Kirche die Predigt halten. Im Rahmen der Gottesdienstreihe am Braunschweiger Hagenmarkt „Toleranz konkret – wie können wir leben?“ wird das biblische Feiertagsgebot im Mittelpunkt stehen. Die musikalische Gestaltung liegt in den Händen von Landeskirchenmusikdirektor Claus-Eduard Hecker, der mit der Kantorei St. Katharinen Werke von Knut Nystedt, Heinrich Schütz und Zdeněk Lukáš zu Gehör bringen wird.

Mit dem Motto des Gottesdienstes „Haltet den Sonntag heilig. Er tut uns gut.“ kommt auch der Sinn zum Ausdruck, der hinter der heute durchaus umstrittenen Sonntagstradition  steht. „Wenn die Kirche hier Position bezieht, tut sie das aber nicht aus Eigeninteresse, sondern durchaus für die Mehrheit der Menschen in unserer Gesellschaft, ist doch der Sonntag ein unersetzliches Gut des gemeinsamen Lebens“, so Landesbischof Weber. „Hierüber gibt es in Braunschweig auch einen breiten gesellschaftlichen Konsens“, weiß Katharinenpfarrer Werner Busch zu ergänzen. Viele Menschen wissen, welche Schwierigkeiten entstehen, wenn man ihn durch immer weitergehende Ausnahmen aushöhlen wollte.

Schon im 4. Jahrhundert hat sich der Sonntags als allgemeiner Ruhetag im Römischen Reich durchgesetzt, die Wurzeln liegen jedoch noch weiter zurück. „Das Gebot der Sabbatheiligung ist bereits im biblischen Schöpfungsbericht und nicht zuletzt in den 10 Geboten verankert“, erläutert Busch die Institution des besonderen wöchentlichen Ruhetages. Im Christentum ist er auf den ersten Wochentag, den Sonntag als Tag der Auferstehung Jesu übergangen, und jeder Gottesdienst vergegenwärtigt diese Unterbrechung aller destruktiven und den Menschen auslaugenden Tendenzen.

Über die religiösen Aspekte hinaus sind europaweit und in vielen Ländern der Welt unterschiedliche gesetzliche Regelungen zum Schutz der Sonntagsruhe getroffen worden. Wegen vielfältiger Versuche, die Sonntagsruhe immer mehr dem Konsum und einem angeblichen Wirtschaftswachstum zu opfern, ist inzwischen sogar eine „European Sunday Alliance“ gegründet worden. Dort setzen sich in eine Vielzahl von kirchlichen, gewerkschaftlichen und unternehmerischen Einrichtungen und Initiativen aus ganz Europa für den Sonntagsschutz ein, auch die Evangelische Kirche ist Mitglied dieses Bündnisses. „Wir laden ein und rufen dazu auf, den wöchentlichen Sonntag hier in Braunschweig auch weiterhin besonders zu schützen und als Tag der seelischen Erhebung zu kultivieren.“ wirbt Busch für das Anliegen.

 

„Eltern haben die Leute immer“

Mose 5Das vierte Gebot eignet sich nur sehr begrenzt zur Disziplinierung von Kindern und Jugendlichen. Was es dennoch für das Zusammenleben der Generationen zu sagen hat, wurde in der Predigt am zurückliegenden Sonntag entfaltet.

Die Predigt kann    hier     man nachlesen und downloaden.

Wie sollen wir leben? Toleranz konkret

Mose 1

Einstimmung auf die Zehn Gebote

„Wie sollen wir leben?“ Dass diese Frage  durch die Jahrtausende hindurch immer neu gestellt wird, bis heute, zeigt: richtiges Handeln und das gute Leben verstehen sich nicht von selbst. Die Frage ist nicht selbstverständlich, war es vielleicht noch nie. Sie bereitet Mühe. Dennoch liegt sie in der Luft. Sie erfordert einen offenen Geist und die Fähigkeit, sich zu verändern.

Haben wir überhaupt eine freie Wahl, so zu leben wie wir es für richtig und gut halten? Die Frage müsste vielleicht präziser so gestellt werden: Wie können wir denn leben? Vieles ist für den Einzelnen schon vorentschieden. Unsere komplexe Gesellschaft funktioniert durch viele Mechanismen und Vernetzungen; wir leben in Zusammenhängen, die wir selber nicht erschaffen haben und oftmals kaum durchschauen. Ethisch zu leben, ist eine besondere Herausforderung. Wie sollen – und können – wir  miteinander leben?

Die 10 Gebote enthalten keine einfachen Antworten auf die gestellte Frage. Sie sind mit ihrem „Du sollst“ starke Signalworte, sie sind konfrontativ und geben zu denken. Sie geben zu denken, weil sich mit ihnen Gott selber ins Spiel bringt: „Ich bin  .. dein ….“. Was kann das bedeuten? Mit den klassischen 10 Worten (Dekalog) tritt ER In die durch Ratlosigkeit und eingespielte Gewohnheiten ‚geschlossene Gesellschaft‘ ein. Energisch stellt ER sich zwischen uns: „nicht töten“, „nicht stehlen“, „nicht begehren“ usw.

„Sich im Denken orientieren“ (Immanuel Kant) und „aus dem Glauben leben“ (Paulus) sind in evangelischer Tradition kein Gegensatz. Es bedeutet: das zwischenmenschliche Zusammenleben als ein Zusammenleben mit Gott neu denken und gestalten. Christus hat das selber gelebt und gelehrt, hat zusammengebracht, was zusammengehört: Gott und Mensch, Mensch und Mitmensch. Wir werden in den Wochen ab Ende Juli der Frage nachgehen, wie man sich in dieser Konstellation zurechtfindet.

Ich lade Sie, liebe Leserin und lieber Leser, herzlich ein, in den Gottesdiensten und Veranstaltungen mit zu bedenken und zu erproben, wie unser Leben ein Leben mit Gott und ein Leben als Mitmensch werden kann. Herzliche Grüße Ihr Werner Busch

Der erste Gottesdienst dieser Reihe: Sonntag, 28. Juli 2013 um 10.30 Uhr in der Katharinenkirche am Braunschweiger Hagenmarkt: „Keine Kompromisse, kein anderes Bier …“ Kein anderer Gott? Christsein zwischen anything goes und religiöser Intoleranz Quelle der Überschrift: Werbung Jever Pilsener

Bild dieses Beitrags: Mose mit den Gebotstafeln (Epitaph für Jürgen von der Schulenburg und seine Frau Lucia an der Westseite im südlichen Kirchenschaff der Katharinenkirche)