Schlagwort-Archive: Reformationsjubiläum

Neu anfangen für Fortgeschrittene

PredigtDer zurückliegende 1. Advent  in St. Katharinen hat am Hagenmarkt nicht nur das neue Kirchenjahr eröffnet, sondern nebenbei auch schon das neue Schwerpunktthema der Reformationsdekade für 2014: „Reformation und Politik„. Ein Ausschnitt aus der Predigt von Pfarrer Werner Busch:

Europa weiß doch, was das Christentum ist. Architektur, Kunst, Gesetz und Brauchtum tragen unverkennbar christliche Spuren. Und Deutschland, das Land der Reformation? Es kennt die Traditionen des Glaubens. Gerade bereitet es sich auf das große Reformations-Jubiläum 2017 vor. Bundestag, Tourismusbranche und Kirche arbeiten Hand in Hand, wie es scheint. Wer in unserer Zeit und unserem Kulturraum Christ ist, der nimmt an einer alten und gereiften Verbindung teil. Natürlich ist die Atmosphäre zwischen Europa und Christus nicht mehr frisch und frühlingshaft. Manche meinen sogar, sie sei spätsommerlich oder gar herbstlich. Die Früchte sind abgeerntet und die Blätter fallen …

Mehr davon kann man hier nachlesen und donloaden.

Popularisierung der Reformation

Nach einer Sitzung des Kuratoriums Luther 2017, die in Halle stattgefunden hat, fasst der Ratsvorsitzende der EKD Nikolaus Schneider, der zugleich den Vorsitz des Kuratoriums innehat, ein Anliegen des Gremiums folgendermaßen zusammen:

Wir wünschen uns eine Popularisierung des Themas Reformation.

Die Knappheit der epd-Pressemitteilung lässt Raum für Interpretation und (An-)Fragen. Die Menschen sollten stärker beteiligt werden, heißt es. Damit, meine ich, könnte jeder Protestant einverstanden sein. Dass die Themen und Impulse, die mit dem Stichwort „Reformation“ verbunden sind, zu den Menschen kommen und von ihnen dialogisch und kreativ aufgegriffen werden, entspricht der Sache selbst, keine Frage. Die Zielrichtung ist begrüßenswert.

Trotzdem bleibt das Anliegen unkklar, wenig konkret. Es soll Gelegenheit für „eigene Ideen“ luther_2017_rgbgegeben werden, „eine Art moderne Thesen“, so der Ratsvorsitzende. Eine erkennbare Adressierug und Beschreibung, welche Bevölkerungs- oder Berufs- oder Altersgruppen mit „die Menschen“ gemeint sind, denen dies angeboten werden soll, bleibt aus. Ich äußere einen Verdacht und hoffe auf seine Widerlegung: Geht es am Ende nur darum, mit einer wirksamen Werbeoffensive in einer anonymen, unförmigen Öffentlichkeit als wiederkehrende Meldung unter den wichtigen Tagesereignissen vorzukommen? Ist die Titelseite das Ziel? Das wäre „much ado about (almost) nothing“.

Die Abgrenzung – „Wir wollen keine Museumsveranstaltung“ – hilft zum besseren Verständnis des Vorhabens leider auch nicht viel weiter. Historische Aufarbeitung soll ja sicherlich nicht zu den Akten gelegt werden, wogegen also richtet sich diese Formulierung?

Trotz der Unklarheiten hier ein – kritischer – Versuch zu verstehen.

Der Begriff der angestrebten „Beteiligung“ der Menschen scheint zentral zu sein. Ist damit echte Beteiligung gemeint, mit all den Risiken und Ambivalenzen, die dazu gehören? Das Kuratorium mag das als unterhaltsame und zündende Idee befürworten; sollte die EKD dieses Anliegen einfach so übernehmen? Reformation bzw. Reformationsjubiläum als speakers‘ corner? Die angedeutete Richtung sieht mir ehrlich gesagt noch zu sehr nach einem unausgereiften religionspädagogischen Einfall für den Konfirmandenunterricht oder den Gemeindegsprächskreis aus. Eine romantische Idee, aus dem Mythos des Thesenanschlags geboren. Für gesellschaftliche Wirkkraft reicht das nicht.

Popularisierung könnte auch in einer anderen Richtung gedacht werden: nicht als Spielwiese für jedermann; sondern als eine  neu gewagte, substantielle öffentliche Elementarisierung der reformatorischen Inhalte und der gesellschaftlichen Impulse, die davon ausgehen (können). Die Dialog-Plattform TED könnte eine inspirierende Anregung sein.

Das Ziel ist jedenfalls hoch bzw. weit gesteckt: es geht um „breite Verankerung“ der Initiative Reformationsjubiläum in der Gesellschaft. Auf welche Personen- und Interessengruppen, „Milieus“ können und wollen wir dabei zählen? Die Allgemeinheit ist unförmig und für diese Zielsetzung unerreichbar. Verankerung setzt konkreter an.

Die Rolle der EKD in diesem gesamten Prozess der Lutherdekade erscheint mir momentan etwas verschwommen und diffus zu werden. Eine offenbar völlig schmerzfreie und distanzlose Identifizierung mit dem Kuratorium („Wir“) sollte noch einmal überdacht werden. In dieses gesellschaftliche Gesamtkonzert „Reformationsjubiläum“ sollte die EKD stärker eine eigene, profiliertere Stimme und Position einbringen und sich weniger als Moderatorin verstehen.

Reformationsjubiläum mit Kirche und Staat – eine Anfrage

luther_2017_rgbDer Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, hat in der jüngsten Ausgabe der Zeitung „Politik und Kultur“ (Seite 1, Kolumne „Feiertag“) eine problematische Nähe zwischen Kirche und Staat kritisiert.  Zimmermann ist ein aufmerksamer Beobachter und konstruktiver Partner der Kirchen in unserem Land. Schon kurz nach der Ausrufung der Reformationsdekade hat er in der genannten Zeitung des Kulturrates eine Kolumne für „Luther 2017“ eingerichtet, die seither in jeder Ausgabe erscheint und immer wieder auch Vertretern der Kirche Platz einräumt. Schon Jahre zuvor hatte Zimmermann die unterschätzte kulturpolitische Bedeutung der Kirchen neu und engagiert ins öffentliche Bewusstsein gebracht. Hier kritisiert also nicht irgendwer.

Olaf Zimmermann sieht in den Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum 2017 eine fragwürdige Nähe zwischen Kirche und Staat sich anbahnen. Seine Anfrage hat er immerhin mit stichhaltigen Verweisen auf zurückliegende historische Reformationsjubiläen unterfüttert und er befürchtet nun, dass auch dieses Jubiläum wieder einer theologischen bzw. kirchenhistorischen Entgleisung zum Opfer fällt.

Den konkreten Nachweis, inwiefern die mit historischem Wissen genährte Befürchtung nun auch im Blick auf dieses Jubiläum tatsächlich begründet ist, bleibt er in seinem kurzen Zwischenruf (noch?) schuldig. Insofern ist es zunächst nur eine Anfrage, wenn auch sehr deutlich und mit scharfem Geschütz (Auf der Homepage der Lutherdekade gibt es noch eine etwas ausführlichere Darstellung des Konfliktes).

Diese Anfrage wurde reflexartig und mit milden Formulierungen zurückgewiesen. Es sei doch eine „überschaubare“ Zusammenarbeit, so der Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD Dr. Thies Gundlach über die Kooperation zwischen Kirche und Staat. Und überhaupt: Die Reformation gehöre ja nicht der Kirche allein. Und die Aussage, dass ein „gesamtplanerischer Steuerungsausschuss“ für die EKD „eine Nummer zu groß sei“, nimmt man mit Verwundern zur Kenntnis.

Mit Gummiworten („überschaubar“), Allgemeinplätzen (kein kirchliches Monopol, – darüber gab es in der Zeitung des Kulturrates ja schon einmal einen Wortwechsel) und ans Lächerliche grenzenden Metaphern („Lasst Blumen blühen“) ist hier leider nur eine ausweichende und äußerst schwache Antwort gegeben worden. Die scharfe Anfrage  von Olaf Zimmermann berührt aber einen für den Protestantismus nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts äußerst brisanten Punkt. Sowohl der Gesprächspartner und die gesellschaftliche Gruppe, für die er steht, als auch die Sache selbst hätten wahrlich mehr theologische, argumentative Mühe verdient.

Damit wird nun zwar etwas verfrüht, aber doch zu recht das Schwerpunktthema für 2014 angeschlagen. Hoffentlich wird das nicht ebenso „überschaubar“ wie die – sicher vorläufige – Antwort aus dem Kirchenamt. Und für die Kulturschaffenden und Künstler haben wir ja auch noch das Themenjahr 2015 …

Reformationstag 2017 als Feiertag

Schon 2006 hat es einen mutigen Vorstoß des damaligen Leitenden Bischofs der VELKD Bischof Johannes Friedrich gegeben: in ganz Deutschland solle bis 2017 der Reformationstag ein gesetzlicher Feiertag geworden sein. Argument: Deutschland ist „Mutterland der Reformation“. Für einen einmaligen Feiertag im Jahr 2017 gibt es inzwischen  eine breite Diskussion und verschiedene Initiativen in mehreren Bundesländern. Bei einem Fachgespräch im Bundestag hat der CDU-Abgeordnete Michael Kretschmer geäußert, dass der 500. Jahrestag der Reformation die Möglichkeit berge, „unsere geschichtlichen Wurzeln mit neuem Leben zu versorgen“.

Trifft folgende deutende Lesart zu?

Ein noch unvollständiger Versuch, zu verstehen: Die Reformationsdekade und das große Jubiläum werden von kirchlicher Seite als Chance begriffen, dem Protestantismus wieder (oder noch?) mehr Aufmerksamkeit und gesellschaftliches Gewicht zu geben. Mit einem eigenen Feiertag kann man auch eigene Themen platzieren.  Luther und die Reformation sind ein „Ereignis von Weltrang„. Die Reformation wird als einer der großen kulturprägenden Beiträge der deutschen Geschichte zur Weltgesellschaft verstanden. Bei aller zeitbedingten Begrenzung und ohne die problematischen Seiten der Akteure zu verharmlosen, kann das sicher mit einigem Recht für Bildung und Freiheitsverständnis beansprucht werden.

Die Lutherstätten in der bundesdeutschen Provinz beherbergen und kultivieren die Erinnerung an große Ereignisse und Ideen. Das ist immer noch eine schöne Story. Die Argumente tragen unverkennbares Lokalkolorit und der Sprachgebrauch transportiert einen Hauch von Patriotismus gleich mit: Deutschland wird selbstbewusst als Mutterland der Reformation bezeichnet und damit werden politische Forderungen (Feiertag) begründet.

Dass in der Diskussion derzeit fast nur an einen einmaligen Feiertag gedacht wird, ist eine sympatische und sicherlich in mehrfacher Hinsicht kluge Begrenzung des Anliegens und lässt noch Raum zur Prüfung der Implikationen.

Rheinland-Pfalz 2017

Schon bald nach Einführung der Reformationsdekade im Jahr 2008 hat es in Rheinland-Pfalz auf politischer Ebene Initiativen gegeben hat, um die tourismuspolitische Bedeutung des großen Jubiläumsjahres rechtzeitig in den Blick zu nehmen. Der Landetagsabgeordnete Thomas Günther hatte sich hierzu mehrfach zu Wort gemeldet. Immerhin ist mit der Stadt Worms eine geradezu archetypische Szene lutherischen Selbstverständnisses verbunden, sodass für ein solches Ansinnen auch ein sehr prominenter Anknüpfungspunkt gegeben ist: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ (Luthers Weigerung zu widerrufen auf dem Reichstag zu Worms 1521)

Auf ihrem jüngsten Treffen mit Vertretern evangelischer Kirchen hat die Landesregierung jetzt angekündigt, eine Anregung umzusetzen und den 31. Oktober 2017 zu einem einmaligen Feiertag zu erklären.

Wie eng Politik und Kirche hier beieinander sind und mit welcher schon ins Feierlich-Grundsätzliche gehenden Wortwahl diese Nähe dokumentiert wird, ist durchaus bemerkenswert: „Die Reformationsdekade werde […] als ein gemeinsames Projekt von Staat und Kirche, von Bund, Ländern und Kommunen verstanden, in ökumenischer und internationaler Offenheit“, heißt es auf der Homepage von Rheinland Pfalz.