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„Gemeinde und Welt“ – Spannend

Barmer Erklärung 1„Im Leben und im Sterben – frei!“ Die unter diesem Motto stehende Gottesdienstreihe zum 80-jährigen Jubiläum der Barmer Theologischen Erklärung wird am kommenden Sonntag fortgesetzt. Im Rahmen dieses gemeinsamen Projektes laden die Reformierte Gemeinde Braunschweig und die Ev.-luth. Kirchengemeinde St. Katharinen am Pfingststonntag zu einem besonderen musikalisch-thematischen Gottesdienst ein.Das Tübinger Celloensemble wird mit Werken von Franz Lachner, Frederick A. Fox und Théodore Dubois musikalische Akzente setzen.

Die Predigt von Pfarrer Werner Busch greift die 3. These der Barmer Erklärung auf und thematisiert das Verhältnis von „Gemeinde und Welt“. Pfarrer Busch dazu: „Wir haben uns daran gewöhnt, die Kirche als einen Teil der Gesellschaft zu begreifen, und sie spiegelt ja auch tatsächlich in vielem die Chancen und Probleme unserer Gegenwart wieder. Die Barmer These weist aber darauf hin, dass es dennoch eine letzte Distanz und eine grundlegende Unterscheidung zwischen Kirche und Staat, Gemeinde und Umfeld gibt und geben muss.“ Woraus sich diese Spannung ergibt und was sie für das Kirchen- und Gemeindeleben bedeutet, darauf wird Busch am Sonntag in seiner Predigt näher eingehen. Im Anschluss an den Gottesdienst wird wieder zum Kirchenkaffee eingeladen.

Reformationstag an St. Katharinen

Der Reformationstag ist für uns schon seit vielen Jahren ein wiederkehrender Anlass, neu nach den Impulsen der Reformation für unsere Gegenwart zu fragen.

erläutert Katharinenpfarrer Werner Busch den Hintergrund einer besonderen jährlichen Fest-Veranstaltung in seiner Kirchengemeinde. Auch dieses Jahr findet in St. Katharinen am 31. Oktober wieder das inzwischen traditionelle Ereignis „Wort und Musik zum Reformationstag“ statt, mit Vortrag und Bachkantate, Beginn 19.30 Uhr.

Gerade hat Braunschweig in einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung begonnen, über Sinn und Braunschweiger Refomationsjubiläum in der DiskussionGestaltung eines eigenen Braunschweiger Reformationsjubiläums im Jahr 2017 zu diskutieren, da kommen die Referentin und ihr Thema am kommenden Reformationstag genau passend an den Braunwschweiger Hagenmarkt. Dr. Petra Bahr wird zum Thema sprechen: „Wie viel Religion verträgt die Gesellschaft?“

Als Oberkirchenrätin und Kulturbeauftragte der EKD ist Petra Bahr zugleich eine aufmerksame und streibare Theologin mit einem immer wieder auch kritischen Blick auf  Kirche und Gesellschaft. Schon mehr als einmal hat sie aus einer dezidiert evangelischen Haltung zu gesellschaftlichen Themen Stellung genommen.bahr_bild_gross-breit

Kirche und Staat als Religion in der Gesellschaft

In der sogenannten „Lutherdekade“ und auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 sind kirchliche, staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure inzwischen gemeinsam unterwegs. In Bundestags-Ausschüssen und Kommissionen wird seit einiger Zeit die Vorbereitung und das gemeinsame Begehen des Jubiläums von staatlichen, kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Vertretern miteinander geplant.

Bei aller Freude über die breite Resonanz muss man aus evangelischer Sicht auch Fragen stellen“

begründet Bahr ihren offenen, kritischen Zugriff auf das Thema: Wie viel davon ist gut für die Gesellschaft, wann wird’s für wen zu viel?

luther_2017_rgbMancher Beobachter fragt ohnehin: Findet da gerade eine schleichende Wiedervermählung von Kirche und Staat statt, ähnlich dem früheren Verbund von „Thron und Altar“? Und tatsächlich: manchmal erwartet die Politik mehr von der Kirche, als gut für beide ist, darin sind viele Theologen sich einig. Religion als Gesellschafts-Kitt und Moralinstanz, das ist eine Verkürzung und Verengung dessen, wofür evangelische Kirche steht. Aus Sicht der Oberkirchenrätin Bahr ist es deshalb an der Zeit, einige Fragen neu zur Diskussion zu stellen. Das Thema ist allerdings umstritten. Ob das Plädoyer für eine „Entweltlichung der Kirche“, wie Papst Benedikt XVI es in der seiner „Freiburger Rede“ am 25. September 2011 hielt, schon den richtigen Weg weist, wird man evangelischerseits hinterfragen. Das Verhältnis von Kirche und Staat / Religion und Gesellschaft gehört in jedem Fall zu den akuten, vordringlichen Fragen unserer Zeit.

Der Reformationsabend, beginnend um 19.30 Uhr in der Katharinenkirche, bietet mit besonderer Musik noch einen weiteren Akzent.

Reformation und Musik, Botschaft und Klang gehören untrennbar zusammen, das kommt hier und in vielen anderen Gemeinden schon seit Jahren auch am Reformationstag zum Ausdruck.

LKMD Heckerso Landeskirchenmusikdirektor Claus-Eduard Hecker. Mit Irmgard Weber als Sopranistin, der Kantorei und dem Kammerorchester an St. Katharinen wird er die Kantate „Gott, der Herr, ist Sonne und Schild“ von Johann Sebastian Bach (BWV 79) zur Aufführung bringen. Diese Musik gehöre in besonderer Weise zu diesem Tag, so der leitende Kirchenmusiker der Landeskirche, da Bach sie im Jahr 1725 für das Leipziger Reformationsfest komponiert hat.

Der Eintritt zu der Veranstaltung, die von der Evangelischen Akademie Abt Jerusalem mit verantwortet wird, ist frei.

 

Wie viel Religion verträgt die Gesellschaft

Dr. Petra BahrWort und Musik zum Reformationstag in St. Katharinen

31. Oktober 2013

19.30 Uhr

Auch in Braunschweig ist inzwischen die Diskussion über Sinn und Gestalt eines Reformationsjubiläums im Jahr 2017 entflammt. Der Vortrag von Frau Dr. Petra Bahr am Reformationstag kommt da genau richtig: „Wie viel Religion verträgt eine Gesellschaft?“.

Der festliche Abend wird durch die Aufführung der Reformations-Kantate von Johann Sebastian Bach „Gott, der Herr, ist Sonne und Schild“ (BWV 79) eine besondere musikalische Note bekommen. Ausführende: Irmgard Weber (Sopran); Kantorei und Kammerorchester an St. Katharinen, Ltg. Landeskirchenmusikdirektor Claus-Eduard Hecker.

Popularisierung der Reformation

Nach einer Sitzung des Kuratoriums Luther 2017, die in Halle stattgefunden hat, fasst der Ratsvorsitzende der EKD Nikolaus Schneider, der zugleich den Vorsitz des Kuratoriums innehat, ein Anliegen des Gremiums folgendermaßen zusammen:

Wir wünschen uns eine Popularisierung des Themas Reformation.

Die Knappheit der epd-Pressemitteilung lässt Raum für Interpretation und (An-)Fragen. Die Menschen sollten stärker beteiligt werden, heißt es. Damit, meine ich, könnte jeder Protestant einverstanden sein. Dass die Themen und Impulse, die mit dem Stichwort „Reformation“ verbunden sind, zu den Menschen kommen und von ihnen dialogisch und kreativ aufgegriffen werden, entspricht der Sache selbst, keine Frage. Die Zielrichtung ist begrüßenswert.

Trotzdem bleibt das Anliegen unkklar, wenig konkret. Es soll Gelegenheit für „eigene Ideen“ luther_2017_rgbgegeben werden, „eine Art moderne Thesen“, so der Ratsvorsitzende. Eine erkennbare Adressierug und Beschreibung, welche Bevölkerungs- oder Berufs- oder Altersgruppen mit „die Menschen“ gemeint sind, denen dies angeboten werden soll, bleibt aus. Ich äußere einen Verdacht und hoffe auf seine Widerlegung: Geht es am Ende nur darum, mit einer wirksamen Werbeoffensive in einer anonymen, unförmigen Öffentlichkeit als wiederkehrende Meldung unter den wichtigen Tagesereignissen vorzukommen? Ist die Titelseite das Ziel? Das wäre „much ado about (almost) nothing“.

Die Abgrenzung – „Wir wollen keine Museumsveranstaltung“ – hilft zum besseren Verständnis des Vorhabens leider auch nicht viel weiter. Historische Aufarbeitung soll ja sicherlich nicht zu den Akten gelegt werden, wogegen also richtet sich diese Formulierung?

Trotz der Unklarheiten hier ein – kritischer – Versuch zu verstehen.

Der Begriff der angestrebten „Beteiligung“ der Menschen scheint zentral zu sein. Ist damit echte Beteiligung gemeint, mit all den Risiken und Ambivalenzen, die dazu gehören? Das Kuratorium mag das als unterhaltsame und zündende Idee befürworten; sollte die EKD dieses Anliegen einfach so übernehmen? Reformation bzw. Reformationsjubiläum als speakers‘ corner? Die angedeutete Richtung sieht mir ehrlich gesagt noch zu sehr nach einem unausgereiften religionspädagogischen Einfall für den Konfirmandenunterricht oder den Gemeindegsprächskreis aus. Eine romantische Idee, aus dem Mythos des Thesenanschlags geboren. Für gesellschaftliche Wirkkraft reicht das nicht.

Popularisierung könnte auch in einer anderen Richtung gedacht werden: nicht als Spielwiese für jedermann; sondern als eine  neu gewagte, substantielle öffentliche Elementarisierung der reformatorischen Inhalte und der gesellschaftlichen Impulse, die davon ausgehen (können). Die Dialog-Plattform TED könnte eine inspirierende Anregung sein.

Das Ziel ist jedenfalls hoch bzw. weit gesteckt: es geht um „breite Verankerung“ der Initiative Reformationsjubiläum in der Gesellschaft. Auf welche Personen- und Interessengruppen, „Milieus“ können und wollen wir dabei zählen? Die Allgemeinheit ist unförmig und für diese Zielsetzung unerreichbar. Verankerung setzt konkreter an.

Die Rolle der EKD in diesem gesamten Prozess der Lutherdekade erscheint mir momentan etwas verschwommen und diffus zu werden. Eine offenbar völlig schmerzfreie und distanzlose Identifizierung mit dem Kuratorium („Wir“) sollte noch einmal überdacht werden. In dieses gesellschaftliche Gesamtkonzert „Reformationsjubiläum“ sollte die EKD stärker eine eigene, profiliertere Stimme und Position einbringen und sich weniger als Moderatorin verstehen.

Können wir uns ein Reformationsjubiläum leisten?

LutherDer Evangelische Pressedienst hat kürzlich in einer Pressemitteilung über Widerstand aus der Wirtschaft gegen einen einmaligen Reformationsfeiertag informiert. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände hat beschlossen, sich öffentlich gegen einen einmaligen bundesweiten Feiertag für Dienstag, den 31. Oktober 2017 in Stellung zu bringen.  Es drohe angeblich ein Milliardenverlust.

Der touristische Faktor des Reformationsjubiläums wäre hier das wahrscheinlich noch am ehesten überzeugende Argument („Reiseziel Reformation: Der Tourismus profitiert schon jetzt.„). Immerhin wird hierfür nicht nur einmalig, sondern nachhaltig eine Verbesserung der Situation in den mit Lutherstätten gesegneten Regionen betrieben. Die Wirtschaft profitiert von Anlass, warum also nicht einen freien Tag für Gottesdienste, Empfänge, Feste usw. einrichten? Auch davon könnten Teile der Wirtschaft (z.B. Gastronomie) profitieren. Aber sollte Kirche sich auf eine solche Begründungsstrategie einlassen? Sie würde damit der bereits angebahnten Kommerzialisierung des Jubiläums noch weiter Vorschub leisten.

Der Widerspruch nötigt zur Überprüfung des Anliegens und der Argumentation. Das Anliegen eines einmaligen Feiertages ist ja m.W. zuerst von Politikern eingebracht und dann von Kirchenvertetern aufgegriffen worden. Sollten wir jetzt die ersten sein, die sich bei einer kritischen Hinterfragung dieses Anliegens zu Wort melden?

Wie immer es auch ausgeht: für die Planung von (Groß-) Veranstaltungen wird es in absehbarer Zeit nötig sein, Planungssicherheit zu haben.

Reformationsjubiläum mit Kirche und Staat – eine Anfrage

luther_2017_rgbDer Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, hat in der jüngsten Ausgabe der Zeitung „Politik und Kultur“ (Seite 1, Kolumne „Feiertag“) eine problematische Nähe zwischen Kirche und Staat kritisiert.  Zimmermann ist ein aufmerksamer Beobachter und konstruktiver Partner der Kirchen in unserem Land. Schon kurz nach der Ausrufung der Reformationsdekade hat er in der genannten Zeitung des Kulturrates eine Kolumne für „Luther 2017“ eingerichtet, die seither in jeder Ausgabe erscheint und immer wieder auch Vertretern der Kirche Platz einräumt. Schon Jahre zuvor hatte Zimmermann die unterschätzte kulturpolitische Bedeutung der Kirchen neu und engagiert ins öffentliche Bewusstsein gebracht. Hier kritisiert also nicht irgendwer.

Olaf Zimmermann sieht in den Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum 2017 eine fragwürdige Nähe zwischen Kirche und Staat sich anbahnen. Seine Anfrage hat er immerhin mit stichhaltigen Verweisen auf zurückliegende historische Reformationsjubiläen unterfüttert und er befürchtet nun, dass auch dieses Jubiläum wieder einer theologischen bzw. kirchenhistorischen Entgleisung zum Opfer fällt.

Den konkreten Nachweis, inwiefern die mit historischem Wissen genährte Befürchtung nun auch im Blick auf dieses Jubiläum tatsächlich begründet ist, bleibt er in seinem kurzen Zwischenruf (noch?) schuldig. Insofern ist es zunächst nur eine Anfrage, wenn auch sehr deutlich und mit scharfem Geschütz (Auf der Homepage der Lutherdekade gibt es noch eine etwas ausführlichere Darstellung des Konfliktes).

Diese Anfrage wurde reflexartig und mit milden Formulierungen zurückgewiesen. Es sei doch eine „überschaubare“ Zusammenarbeit, so der Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD Dr. Thies Gundlach über die Kooperation zwischen Kirche und Staat. Und überhaupt: Die Reformation gehöre ja nicht der Kirche allein. Und die Aussage, dass ein „gesamtplanerischer Steuerungsausschuss“ für die EKD „eine Nummer zu groß sei“, nimmt man mit Verwundern zur Kenntnis.

Mit Gummiworten („überschaubar“), Allgemeinplätzen (kein kirchliches Monopol, – darüber gab es in der Zeitung des Kulturrates ja schon einmal einen Wortwechsel) und ans Lächerliche grenzenden Metaphern („Lasst Blumen blühen“) ist hier leider nur eine ausweichende und äußerst schwache Antwort gegeben worden. Die scharfe Anfrage  von Olaf Zimmermann berührt aber einen für den Protestantismus nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts äußerst brisanten Punkt. Sowohl der Gesprächspartner und die gesellschaftliche Gruppe, für die er steht, als auch die Sache selbst hätten wahrlich mehr theologische, argumentative Mühe verdient.

Damit wird nun zwar etwas verfrüht, aber doch zu recht das Schwerpunktthema für 2014 angeschlagen. Hoffentlich wird das nicht ebenso „überschaubar“ wie die – sicher vorläufige – Antwort aus dem Kirchenamt. Und für die Kulturschaffenden und Künstler haben wir ja auch noch das Themenjahr 2015 …

Reformationstag 2017 als Feiertag

Schon 2006 hat es einen mutigen Vorstoß des damaligen Leitenden Bischofs der VELKD Bischof Johannes Friedrich gegeben: in ganz Deutschland solle bis 2017 der Reformationstag ein gesetzlicher Feiertag geworden sein. Argument: Deutschland ist „Mutterland der Reformation“. Für einen einmaligen Feiertag im Jahr 2017 gibt es inzwischen  eine breite Diskussion und verschiedene Initiativen in mehreren Bundesländern. Bei einem Fachgespräch im Bundestag hat der CDU-Abgeordnete Michael Kretschmer geäußert, dass der 500. Jahrestag der Reformation die Möglichkeit berge, „unsere geschichtlichen Wurzeln mit neuem Leben zu versorgen“.

Trifft folgende deutende Lesart zu?

Ein noch unvollständiger Versuch, zu verstehen: Die Reformationsdekade und das große Jubiläum werden von kirchlicher Seite als Chance begriffen, dem Protestantismus wieder (oder noch?) mehr Aufmerksamkeit und gesellschaftliches Gewicht zu geben. Mit einem eigenen Feiertag kann man auch eigene Themen platzieren.  Luther und die Reformation sind ein „Ereignis von Weltrang„. Die Reformation wird als einer der großen kulturprägenden Beiträge der deutschen Geschichte zur Weltgesellschaft verstanden. Bei aller zeitbedingten Begrenzung und ohne die problematischen Seiten der Akteure zu verharmlosen, kann das sicher mit einigem Recht für Bildung und Freiheitsverständnis beansprucht werden.

Die Lutherstätten in der bundesdeutschen Provinz beherbergen und kultivieren die Erinnerung an große Ereignisse und Ideen. Das ist immer noch eine schöne Story. Die Argumente tragen unverkennbares Lokalkolorit und der Sprachgebrauch transportiert einen Hauch von Patriotismus gleich mit: Deutschland wird selbstbewusst als Mutterland der Reformation bezeichnet und damit werden politische Forderungen (Feiertag) begründet.

Dass in der Diskussion derzeit fast nur an einen einmaligen Feiertag gedacht wird, ist eine sympatische und sicherlich in mehrfacher Hinsicht kluge Begrenzung des Anliegens und lässt noch Raum zur Prüfung der Implikationen.