Alle Beiträge von Redaktion

„Wem eignet Gott?“

Dienstag, 28. Mai 2013 um 20.00 Uhr

Gemeindehaus von St. Katharinen am Hagenmarkt

Dr. Helmut Berthold (Geschäftsführer der Lessing Akademie e.V. Wolfenbüttel)

„Wem eignet Gott?“ Zu einigen Fragen in „Nathan der Weise“

Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781), dessen Grab auf dem Braunschweiger Magnifriedhof zu finden ist, hat auch am Hagenmarkt einen historischen Haftpunkt. Das Bürgerliche Trauerspiel „Emilia Galotti“ wurde hier 1772 uraufgeführt. Das damalige Opernhaus, das der Vorgänger des heutigen Staatstheaters gewesen ist („neu seit 1690“) galt als eines der modernsten Häuser jener Tage mit überregionaler Bedeutung. Es stand seinerzeit im unmittelbaren Gegenüber zur Westfassade der KatharineDSCI0329nkirche.

Im Rahmen des Themenjahres zur Toleranz kehrt jetzt der große Denker und Schriftsteller der Aufklärung gewissermaßen noch einmal an den Hagenmarkt zurück.

Mit einem Vortrag zum Thema „Wem eignet Gott?“ wird der Geschäftsführer der Lessing Akademie e.V. Herr Dr. Helmut Berthold im Gemeindehaus von St. Katharinen einen Vortrag zu Lessings „Nathan der Weise“ halten. Die Protagonisten dieses berühmten Dramas gehören den drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam an. Sie geraten während der Handlung in persönliche Verwicklungen. Die scheinbar unbeantwortbare Frage nach dem Wahrheitsanspruch der Religionen erzeugt Spannungen, und die Notwendigkeit von Gleichberechtigung und Respekt wird eindrücklich vorgeführt.

„Die Gottesfrage ist schon lange ein Brennpunkt in der Toleranzdebatte“, erläutert Gemeindepfarrer Werner Busch den Ansatz einer diesbezüglichen Themenreihe, die in St. Katharinen schon seit einigen Wochen auf der Agenda steht. Den monotheistischen Religionen wird eine Tendenz zur Intoleranz vorgeworfen. Auf diesem Hintergrund plädiert Busch dafür, dass die Kirche selber die Frage nach Gott neu stellen solle. „Die Auseinandersetzung mit den Kritikern des Glaubens lohnt sich in jedem Fall. Das öffnet neue Denkhorizonte und vertieft sogar den Glauben selbst, macht ihn gegenwärtig und wach.“ In diesem Zusammenhang ist die Erinnerung an Lessings „Nathan der Weise“ ein Höhepunkt dieses Themenweges, der auch in den sonntäglichen Gottesdiensten beschritten wird.

Am Sonntag, 2. Juni 2013 um 17.30 Uhr wird eine gekürzte und um musikalische Elemente ergänzte Fassung des Dramas „Nathan der Weise“ vom Ensemble Theatrum aus Schloss Hohenerxleben in der Katharinenkirche aufgeführt.

Nähere Informationen hierzu folgen in Kürze.

Pressemitteilung des Gemeindebüros vom 24. Mai 2013

Reformationstag 2017 als Feiertag

Schon 2006 hat es einen mutigen Vorstoß des damaligen Leitenden Bischofs der VELKD Bischof Johannes Friedrich gegeben: in ganz Deutschland solle bis 2017 der Reformationstag ein gesetzlicher Feiertag geworden sein. Argument: Deutschland ist „Mutterland der Reformation“. Für einen einmaligen Feiertag im Jahr 2017 gibt es inzwischen  eine breite Diskussion und verschiedene Initiativen in mehreren Bundesländern. Bei einem Fachgespräch im Bundestag hat der CDU-Abgeordnete Michael Kretschmer geäußert, dass der 500. Jahrestag der Reformation die Möglichkeit berge, „unsere geschichtlichen Wurzeln mit neuem Leben zu versorgen“.

Trifft folgende deutende Lesart zu?

Ein noch unvollständiger Versuch, zu verstehen: Die Reformationsdekade und das große Jubiläum werden von kirchlicher Seite als Chance begriffen, dem Protestantismus wieder (oder noch?) mehr Aufmerksamkeit und gesellschaftliches Gewicht zu geben. Mit einem eigenen Feiertag kann man auch eigene Themen platzieren.  Luther und die Reformation sind ein „Ereignis von Weltrang„. Die Reformation wird als einer der großen kulturprägenden Beiträge der deutschen Geschichte zur Weltgesellschaft verstanden. Bei aller zeitbedingten Begrenzung und ohne die problematischen Seiten der Akteure zu verharmlosen, kann das sicher mit einigem Recht für Bildung und Freiheitsverständnis beansprucht werden.

Die Lutherstätten in der bundesdeutschen Provinz beherbergen und kultivieren die Erinnerung an große Ereignisse und Ideen. Das ist immer noch eine schöne Story. Die Argumente tragen unverkennbares Lokalkolorit und der Sprachgebrauch transportiert einen Hauch von Patriotismus gleich mit: Deutschland wird selbstbewusst als Mutterland der Reformation bezeichnet und damit werden politische Forderungen (Feiertag) begründet.

Dass in der Diskussion derzeit fast nur an einen einmaligen Feiertag gedacht wird, ist eine sympatische und sicherlich in mehrfacher Hinsicht kluge Begrenzung des Anliegens und lässt noch Raum zur Prüfung der Implikationen.

Spiritueller Tourismus und Lutherdekade

LutherDie Reformationsdekade und das große Jubiläum sind schon längst nicht mehr nur „unser“ Ereignis. Das wurde in einer öffentlichen Anhörung am 15. Mai 2013 im Ausschuss für Tourismus des Deutschen Bundestages deutlich, bei der die tourismuspolitische Relevanz der Reformationsdekade diskutiert wurde. Die großmütige und stolze Aussage der EKD-Synode 2012 „Die Reformation gehört allen“ bekommt auf diesem Hintergrund eine Bedeutung, mit der nicht jeder gerechnet haben wird. Politik und Tourismusverbände entwickeln eine eigene Perspektive auf das Ereignis und bringen eine neue Dynamik in die Sache. Das ist eine anspruchsvolle theologische Herausforderung für Kirche und Theologie.

In den Stellungnahmen der geladenen Gäste dieser Anhörung sind ein paar interessante Details versteckt, auf die hier mit knappen Strichen hingewiesen werden soll. Weiter unten folgen einige kritische Reflexionen.

Prof. Dr. Christian Antz stellt heraus, dass spiritueller Tourismus in nahezu allen Lebensphasen boomt. Der großen Nachfrage stehen aber noch keine ausreichenden (kirchlichen) Organisationsformen für dieses wachsende Segment gegenüber. Zudem mahnt Antz schon jetzt an, dass gerade im Blick auf die Reformationsdekade die Angebote keine „Eintagsfliegen“ sein dürfen, sondern im Interesse der Kunden auf Dauer angelegt werden sollten.

Bei Kirchenrat Jürgen Dittrich erfährt man ein paar interessante Einzelheiten zu den vorhandenen Lutherwegen als eigenem und offenbar verhältnismäßig gut organisiertem Tourismusangebot. Der konzeptionelle Anspruch ist hoch und inhaltlich relativ eng gefasst: „Die Hauptzielrichtung besteht vielmehr darin, Besucher zur Auseinandersetzung mit den Anliegen der Reformation durch die Jahrhunderte anzuregen und in der persönlichen Aneignung fruchtbar werden zu lassen.“ Im Schlussteil macht er deutlich, dass eine erfolgreiche Etablierung der Lutherwege nur durch die Zusammenarbeit von Kirche, Tourismusverbänden und Kommunen gelingen kann. Teilen die Kooperationspartner den konzeptionellen Ansatz? Man würde an dieser Stelle von Kirchenrat Dittrich eigentlich eine differenziertere Wahrnehmung der Interessenlage erwarten. Zu sagen, dass eine Verbindung von weltlichen und geistlichen Zugängen vorliegt, ist sicher richtig, aber noch zu undeutlich gedacht. Kontinuität über 2017 hinaus bieten gerade die Lutherwege.

Der Vizepräsident des Kirchenamtes der Thies Gundlach: „Die ausländischen Gäste und die innerdeutschen Touristen sind zunehmend auf der Suche nach zeitgenössischen geistlichen Zentralorten, die in ihrer künstlerischen Sprache und architektonischen Ausdruckskraft das 21. Jahrhundert mit den historisch geprägten Orten und ihrer Geschichte ins Gespräch bringen. […] Nur noch eine spitze Zielgruppe findet über Literatur, Ausstellungen und Diskurse einen Zugang zu historischen Ereignissen.“ Das heißt auf der anderen Seite, dass an die Orte für spirituellen Tourismus klare (geistliche und pädagogische) Qualitätsforderungen zu stellen sind. Er gibt zu bedenken, dass auch „temporäre geistliche Orte und Räume“ wie z.B. der Expowal ebenfalls Potential für spirituellen Tourismus haben. Eine Ergänzung der historischen Städten erscheint ihm (auch in Wittenberg selbst) durchaus wünschenswert. Auf die Idee der EKD einer „provisorischen Kathedrale“ kann man von daher gespannt sein.

Bei Frau Antje Rennack bekommt man näheren Einblick in die Vermarktungsstrategien für das Jubiläumsjahr. Ein ganz anderer Blickwinkel auf die Reformationsdekade. Erfordernisse an die Infrastruktur (z.B. Fertigstellung der S-Bahn-Linie von Leipzig – Torgau – Hoyerswerda) und bezüglich Barrierefreiheit rücken in den Blick. Frau Rennack relativiert die (kirchliche/theologische oder wie Gundlach es nannte: „missionarische“) Fokussierung auf Luther und vermutet, die Lutherdekade gebe vor allem ausländischen Gästen einen willkommene Gelegenheit, Deutschland überhaupt zu bereisen. In der Vielzahl der in der Reformationsdekade agierenden Partner sieht sie Gründe für Unübersichtlichkeit und Abstimmungsschwierigkeiten. Die Auflistung der Kooperationspartner im Beitrag vom Beauftragten der Kirchen Oberkirchenrat Christoph Seele scheint das (ungewollt?) zu bestätigen. Bei Frau Birgit Dittmar als Vertreterin der Deutschen Zentrale für Tourismus wird noch einmal die besondere touristische Perspektive auf die Reformationsdekade deutlich.

Der Geschäftsführer der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017“ Herr Stefan Zowislo beschreibt eingehend die Rolle und Aufgabenstellung derselben. Eine umfassende Darstellung Deutschlands und anderer Länder in ihrer herausragenden Rolle als Länder der Reformation soll erreicht werden. Weitere Akteure der Zivilgesellschaft sollten noch beteiligt werden. Er wünscht sich also eine Verbreiterung des Aktionsspektrums. Im Rahmen der Vermarktung werden erstmals die Themenjahre als positive Chance erwähnt.

Kritische Reflexion

Dieser letzte Beitrag macht es vielleicht am deutlichsten: es gibt im Rahmen des Gesamtprozesses der Lutherdekade keine theologische Deutungshoheit der Kirchen. Es ist ein staatliches und gesellschaftliches Projekt. Die theologische / spirituelle Arbeit der Kirchen findet hier in einem sich sehr breit und noch weiter ausdifferenzierenden Kontext statt. Was bedeutet das für unsere inhaltlichen Angebote? Was predigt alles mit, wenn wir in den nächsten 5 Jahren und danach „Reformation“ sagen? Wir stehen vor der Aufgabe, das zu reflektieren und in diesem Konzert unserenTon zu finden. Und zu halten.

Weiter muss man fragen: Wenn das Reformationsjubiläum ein „Ereignis von Weltrang“ ist und nun von unterschiedlichsten Partnern aus Politik, Kirche, Tourismus und anderen Gesellschaftsbereichen langfristig und umfassend vorbereitet wird: Welche Chancen und Hindernisse erzeugt das in der weltweiten Wahrnehmung Europas und insbesondere Deutschlands? Wird das globale Bild des Protestantismus wieder eine stärkere kulturelle und nationalstaatliche Tönung erfahren (zugespitzt: deutsch = evangelisch)? Was jetzt in der Kooperation entwickelt wird, prägt in wenigen Jahren die Darstellung von Kirche und Reformation in den Reiseprospekten, die in Amerika oder Asien fund anderswo ür das Reiseziel „Mutterland der Reformation“ werben werden.

Findet hier ein Updade des „christlichen Abendlandes“ unter den Bedingungen von Markt und Marketing statt? Kann die Darstellung und Vermarktung der Reformation unsere Gesellschaft vor einem internationalen Forum epräsentieren? Theologisch ist der Protestantismus eigentlich über ein sich darin andeutendes Verständnis von Kirche und Gesellschaft hinaus. Ist er es auch praktisch?

Die Vereinnahmung und Funktionalisierung des Reformationsjubiläums ist schon jetzt unvermeidlich und wird allmählich zum Selbstläufer, der keinen besonderen kirchlichen Anschub mehr braucht. Die kirchlichen Akteure der Dekade sollten jetzt die historischen Analysen vergangener Reformationsjubiläen unbedingt nutzen und differenzierte Schlüsse daraus ziehen. Das Schiff will klug durch diese wechselnde und schwer berechenbare Wetterlage gesteuert sein, von der man noch nicht sagen kann, ob es ein Hoch oder ein Tief ist. Die Diskussion darüber hat immerhin schon begonnen, sie wurde auch im Bundestag schon ansatzweise begonnen.

Die thematische Platzierung der Reformationsdekade im Ausschuss für Tourismus ist zwar aus politischer Sicht verständlich und sinnvoll. Es ist immerhin ein vielversprechender Zugang zum Ereignis des Reformationsjubiläums (noch einmal: „Weltrang“), bei dem auch nichtpolitische und nichtkirchliche Akteure mitwirken köpnnen. Natürlich birgt das Chancen für die Kirchen. Aber für evangelisches Selbstverständnis ist diese gesellschaftliche Platzanweisung im Tourismus-Marketing dennoch zwiespältig und bedarf ebenfalls einer kritischen Reflexion.

Rheinland-Pfalz 2017

Schon bald nach Einführung der Reformationsdekade im Jahr 2008 hat es in Rheinland-Pfalz auf politischer Ebene Initiativen gegeben hat, um die tourismuspolitische Bedeutung des großen Jubiläumsjahres rechtzeitig in den Blick zu nehmen. Der Landetagsabgeordnete Thomas Günther hatte sich hierzu mehrfach zu Wort gemeldet. Immerhin ist mit der Stadt Worms eine geradezu archetypische Szene lutherischen Selbstverständnisses verbunden, sodass für ein solches Ansinnen auch ein sehr prominenter Anknüpfungspunkt gegeben ist: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ (Luthers Weigerung zu widerrufen auf dem Reichstag zu Worms 1521)

Auf ihrem jüngsten Treffen mit Vertretern evangelischer Kirchen hat die Landesregierung jetzt angekündigt, eine Anregung umzusetzen und den 31. Oktober 2017 zu einem einmaligen Feiertag zu erklären.

Wie eng Politik und Kirche hier beieinander sind und mit welcher schon ins Feierlich-Grundsätzliche gehenden Wortwahl diese Nähe dokumentiert wird, ist durchaus bemerkenswert: „Die Reformationsdekade werde […] als ein gemeinsames Projekt von Staat und Kirche, von Bund, Ländern und Kommunen verstanden, in ökumenischer und internationaler Offenheit“, heißt es auf der Homepage von Rheinland Pfalz.

Bild und Bibel: Themenjahr 2015

Das Themenjahr 2015 richtet den Blick auf die Kunst und nicht zuletzt auf das Hauptdokument für Kirche und Christsein: die Bibel. Dass beides so eng nebeneinander steht, sind wir zwar gewohnt, „illuminierte Bibelauasgaben“ mit ihren kunstvollen Buchstabenverzierungen und bildlichen Darstellungen, wie zum Beispiel das Evangeliar Heinrichs des Löwen, haben zur Hochschätzung der Heiligen Schrift beigetragen. Dennoch ist das Verhältnis zur Kunst immer klärungsbedürftig gewesen. Im heutigen  Medienzeitalter erst recht.

Themenjahr 2015 Bild & Bibel

Kirche und Politik: Themenjahr 2014

Das Themenjahr 2014 rückt in besonderer Weise die Fragen der gesellschaftlichen und politischen Relevanz von Kirche und Evangelium ins Blickfeld. Inwieweit die lutherische Unterscheidung der beiden Regimenter auch zu einer tatsächlichen Trennung von Kirche und Staat geführt hat oder führen müsste, wird dabei sicher kritisch mitgeprüft werden. Eine völlig unpolitische und nur „geistliche“ Kirche ist – wie schlimme historische Erfahrung schon gezeigt hat – allerdings auch für die Gesellschaft kein wünschenswertes Ziel.

http://www.luther2017.de/luthderdekade/themenjahr-2014

Eine kleine Denkschrift

Eine mit etwas Verspätung gepflückte Frucht des Themenjahres 2012 ‚Reformation und Musik‘ ist die „Kleine Hägener Denkschrift zur Kirchenmusik„. Sie trägt den Titel „Singt! Und spielt!“. Der vom Gemeindepfarrer von St. Katharinen verfasste Text ist mehrfach im Kirchenvorstand beraten und verändert worden. Über die lokale Perspektive hinaus gibt es darin gewiss auch einiges von allgemeinem Interesse zu entdecken.

2. Mose: Predigtreihe „Gott und Toleranz“

Die Predigtreihe „Gott und Toleranz 2013“ zu Texten aus dem 2. Mosebuch ist bereits in Gang. Morgen wird die ursprüngliche Planung durch eine Predigt zu Kapitel 4,1-17 von Pfarrer i.R. Herbert Meyer erweitert. Am kommenden Pfingstsonntag (19. Mai um 10.30 Uhr) wird wie angekündigt Pfarrer Werner Busch mit einer Predigt zum zweitenTeil des Kapitels die Reihe fortsetzen: „persönlich, nah, gefährlich – Gott geht den Menschen an.“