Nach einer Sitzung des Kuratoriums Luther 2017, die in Halle stattgefunden hat, fasst der Ratsvorsitzende der EKD Nikolaus Schneider, der zugleich den Vorsitz des Kuratoriums innehat, ein Anliegen des Gremiums folgendermaßen zusammen:
Wir wünschen uns eine Popularisierung des Themas Reformation.
Die Knappheit der epd-Pressemitteilung lässt Raum für Interpretation und (An-)Fragen. Die Menschen sollten stärker beteiligt werden, heißt es. Damit, meine ich, könnte jeder Protestant einverstanden sein. Dass die Themen und Impulse, die mit dem Stichwort „Reformation“ verbunden sind, zu den Menschen kommen und von ihnen dialogisch und kreativ aufgegriffen werden, entspricht der Sache selbst, keine Frage. Die Zielrichtung ist begrüßenswert.
Trotzdem bleibt das Anliegen unkklar, wenig konkret. Es soll Gelegenheit für „eigene Ideen“ gegeben werden, „eine Art moderne Thesen“, so der Ratsvorsitzende. Eine erkennbare Adressierug und Beschreibung, welche Bevölkerungs- oder Berufs- oder Altersgruppen mit „die Menschen“ gemeint sind, denen dies angeboten werden soll, bleibt aus. Ich äußere einen Verdacht und hoffe auf seine Widerlegung: Geht es am Ende nur darum, mit einer wirksamen Werbeoffensive in einer anonymen, unförmigen Öffentlichkeit als wiederkehrende Meldung unter den wichtigen Tagesereignissen vorzukommen? Ist die Titelseite das Ziel? Das wäre „much ado about (almost) nothing“.
Die Abgrenzung – „Wir wollen keine Museumsveranstaltung“ – hilft zum besseren Verständnis des Vorhabens leider auch nicht viel weiter. Historische Aufarbeitung soll ja sicherlich nicht zu den Akten gelegt werden, wogegen also richtet sich diese Formulierung?
Trotz der Unklarheiten hier ein – kritischer – Versuch zu verstehen.
Der Begriff der angestrebten „Beteiligung“ der Menschen scheint zentral zu sein. Ist damit echte Beteiligung gemeint, mit all den Risiken und Ambivalenzen, die dazu gehören? Das Kuratorium mag das als unterhaltsame und zündende Idee befürworten; sollte die EKD dieses Anliegen einfach so übernehmen? Reformation bzw. Reformationsjubiläum als speakers‘ corner? Die angedeutete Richtung sieht mir ehrlich gesagt noch zu sehr nach einem unausgereiften religionspädagogischen Einfall für den Konfirmandenunterricht oder den Gemeindegsprächskreis aus. Eine romantische Idee, aus dem Mythos des Thesenanschlags geboren. Für gesellschaftliche Wirkkraft reicht das nicht.
Popularisierung könnte auch in einer anderen Richtung gedacht werden: nicht als Spielwiese für jedermann; sondern als eine neu gewagte, substantielle öffentliche Elementarisierung der reformatorischen Inhalte und der gesellschaftlichen Impulse, die davon ausgehen (können). Die Dialog-Plattform TED könnte eine inspirierende Anregung sein.
Das Ziel ist jedenfalls hoch bzw. weit gesteckt: es geht um „breite Verankerung“ der Initiative Reformationsjubiläum in der Gesellschaft. Auf welche Personen- und Interessengruppen, „Milieus“ können und wollen wir dabei zählen? Die Allgemeinheit ist unförmig und für diese Zielsetzung unerreichbar. Verankerung setzt konkreter an.
Die Rolle der EKD in diesem gesamten Prozess der Lutherdekade erscheint mir momentan etwas verschwommen und diffus zu werden. Eine offenbar völlig schmerzfreie und distanzlose Identifizierung mit dem Kuratorium („Wir“) sollte noch einmal überdacht werden. In dieses gesellschaftliche Gesamtkonzert „Reformationsjubiläum“ sollte die EKD stärker eine eigene, profiliertere Stimme und Position einbringen und sich weniger als Moderatorin verstehen.