„Raise your voice!“ In die Stille des Anfangs rief Andy Hundacker der versammelten Gemeinde einen Weckruf zu. „Erhebe deine Stimme!“
Über 100 Menschen erlebten am zurückliegenden Sonntag einen Gottesdienst der besonderen Art. Im voll besetzten Gemeindesaal von St. Katharinen feierte die Gemeinde zusammen mit dem Poetry Slammer Andy Hundacker aus Berlin und Gemeindepfarrer Werner Busch am Braunschweiger Hegenmarkt ein Gottesdienst-Experiment. „Kunst nicht nur als Beitrag und Verzierung – Kunst vielmehr als Bestandteil und notwendiges Element im Gottesdienst – das war meine Anfangsüberlegung“, berichtet Busch vom Werden der Idee, für die er den Künstler aus Berlin gewonnen hat. „Dass die kurze Zusammenarbeit mit Andy während seines Studiums vor gut zwei Jahren zu einer Verbundenheit geführt hat, die uns in dieser Idee nun wieder zusammengeführt hat, ist eine besondere Erfahrung, auch für unsere Gemeinde.“
Die sensible Platzierung der von Hundacker nur zum Teil eigens für diesen Gottesdienst neu geschaffenen Texte erzeugte neue liturgische Eindrücke und Assoziationen. Statt des normalerweise gesprochenen „Gnadenzuspruchs“ aus Epheser 2,19 erklang ein meditativ schwebender Text, der bis zur letzten Zeile verschiedene Deutungen offenhielt: man konnte ihn als moderne Paraphrase von Gottes Zusagen hören oder als Antwort und Versprechen eines Menschen an Gott. Der Texte endete mir: „Ja. Ich hab mich. Für DIch. Enrtschieden.“ Löst man ihn (wieder) aus dem Gottesdienst heraus, ist er auch als Liebeserklärung einem Du gegenüber verständlich. Diese Option schwang auch am Sonntagmorgen noch mit und ließ die zwischenmenschliche Liebe als Gleichnis für das Gottesverhältnis schillern. Glaube und Verliebten-Pathos einmal ungewohnt eng miteinander verknüpft …
Auch ein improvisiertes Zusammenspiel von Wort und Musik zwischen Andy Hundacker und dem Kantor Wolfgang Bretschneider am Flügel schuf etwas Neues. Es entstand ein poetischer Wort- und Klangraum, in dem die Verlorenheit eines „Einsamen Wanderers“ präsent und einfühlbar wurde. Dass im Anschluss Fürbitte gehalten wurde, gab beiden Elementen eine neue Bedeutung.
In der Mitte des Gottesdienst standen ein poetischer Text und die Predigt, mit denen das angekündigte Motto Poetry & Preaching eingelöst wurde. Das Gesamtthema der Gottesdienstreihe „Prophetenpredigten“ wurde dabei aufgenommen und variiert, wobei Hundacker das prophetische „Wahrsagen“ neu interpretierte: „Ich will sagen, was wahr ist, vortragen, was klar ist, weil es sonst keiner ausspricht. Ich spreche nicht Gegen, sondern Für, ich bin Für-Sprecher, gelegentlich Lannzenbrecher, ich sprecher für das, was ist und was kommt.“
In seiner Predigt über Jesaja-Texte setzte Busch mit der Beobachtung ein, dass das Jahr 2014 für Braunschweig und Umgebung ein „Wechseljahr“ sei: von Landesbischof und Oberbürgermeister über das Präsidentenamt der Landessynode bis hin zur Dompredigerstelle erlebt die Region einen beachtlichen Personalwechsel. Die Frage „Wer führt uns wohin?“ rücke auf der gesellschaftlichen Agenda weiter nach oben. „Die kritische Sicht der biblischen Propheten auf Ämter und Amtspersonen trifft zwar einen Nerv unserer Zeit“, räumt Busch im Anschluss an den Gottesdienst ein. Das prophetische Wort ziele aber nicht auf Politiker-Schelte oder Prominenten-Bashing, so der Theologe. Stattdessen agiere Gott auf seine ihm eigene Art und Weise …
Die musikalische Begleitung durch den Posaunenchor der Gemeinde und ein Lied mit Gitarre und Klavier boten auch den Versammelten abwechslungsreiche Beteiligungsmöglichhkeiten. Die Atmosphäre schien dazu angetan zu sein, nicht nur schweigend da zu sitzen. Neben einem Bravo-Ruf im Anfangsteil und Applaus während der Abkündigungen wurde augenzwinkernd, ungeniert und hörbar für alle von jemandem angemerkt: „Das Glaubensbekenntnis fehlt!“ Dazu ist abschließend folgendes zu sagen. Erstens: das ist wahr, es stand zwar im Ablauf, wurde aber übergangen. Und zweitens: darauf mache sich jeder selbst (s)einen Reim.
Die bisherigen Predigten der Predigtreihe, in denen das Jahresthema „Glaube. Macht. Politik“ immer wieder berührt wird (an der Verbesserung der Schriftdarstellung wird noch gearbeitet, ist im AUsdruck besser als auf dem Bildschirm. Sorry. Die Redaktion):
Jesaja 1 Erste Predigt am 19. Januar 2014
Jesaja 1 Zweite Predigt am 26. Januar
Amos 7 Predigt am 2. Februar 2014