Ulrich Kreutzberg berichtet im Gottesdienst am zurückliegenden Ewigkeitssonntag von seinen Erfahrungen in der Hospizarbeit Braunschweig e.V.
Seit fünf Jahren arbeite ich als Koordinator für den ambulanten Hospizdienst bei dem Verein Hospizarbeit Braunschweig. Ich besuche schwer kranke und sterbende Menschen zu Hause, in Altenheimen oder in Krankenhäusern und vermittle Ihnen eine Begleitung durch unsere ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. Auch für Trauernde stellen wir Angebote mit unseren Ehrenamtlichen bereit, wir begleiten sie einzeln oder in Trauergruppen.
Vor 22 Jahren ist mein Opa verstorben. An seinem Grab habe ich -. schon erwachsen – aus tiefster Seele geheult. So sind wir alle Trauernde, denn im Laufe unseres Lebens müssen wir uns immer wieder von Menschen verabschieden, die uns lieb und teuer sind.
Für uns in der Hospizbewegung ist Trauer eine natürliche Reaktion auf einen bedeutsamen Verlust. Es ist keine Krankheit und kein absonderliches Verhalten, sondern eine notwendige Zeit, ein notwendiger Weg, den wir gehen müssen. Trauernde brauchen dabei Halt und auch aushalten. Immer wieder erzählt Frau Müller von ihrem Mann, mit dem sie 52 Jahre verheiratet war und vielleicht erzählt sie auch immer wieder dieselben oder ähnliche Begebenheiten. Sie braucht jemanden, der ihr zuhört, mit Wohlwollen und Interesse.
Für Menschen, die gerade erst einen lieben Menschen verloren haben, scheint das Leben still zu stehen, der Alltag spielt keine wirkliche Rolle mehr, Essen oder Schlafen werden zur Nebensache. Hier brauchen sie manchmal jemanden, der einen Topf mit Suppe mitbringt oder jemanden, der für einen gemeinsamen Spaziergang im Schweigen zur Verfügung steht.
Jede Trauer ist einzigartig wie jeder Mensch einzigartig ist. Gefühle spielen dabei aber immer eine große Rolle. Darf ich meine Erleichterung zu lassen, dass mein Angehöriger nach langer Krankheit und meiner aufopferungsvollen Pflege verstorben ist. Was macht Frau Schneider mit ihrer Wut auf den verstorbenen Ehemann. Er hatte zwar dem Gartennachbar erzählt, dass er an Prostata-Krebs erkrankt ist, nicht aber seiner Frau. Wir ermuntern die Menschen, diese Gefühle auszuschauen und einen Ort zu suchen und zu finden, wo sie sein dürfen.
Weihnachten naht – ein schwieriges Fest für Trauernde. Was geschieht, wenn wir uns an den Verstorbenen erinnern, in Gesprächen unterm Weihnachtsbaum. Halten wir die Traurigkeit unserer Mutter, unseres Bruders unserer Freunde aus? Oder vermeiden wir von dem Verstorbenen zu sprechen, aus Furcht vor diesen Gefühlen. Erinnern und erzählen ist ein wichtiger Teil auf dem Trauerweg. Der Tote ist nicht vergessen, sondern wird in unseren Schilderungen immer wieder lebendig. „Wie war Opa?“ kann das Enkelkind dann fragen, ohne betretendes Schweigen auszulösen.
Trauernde begleiten – eine Aufgabe, der wir uns als Hospizbewegung stellen. Begleiten heißt für uns auch, nicht genau zu wissen, wo der Weg lang führt, welche Umwege er macht, wo er vielleicht auch einmal in einer Sackgasse landet. Trauernde begleiten meint, ihnen Halt zu geben, sie auszuhalten, sie auch manchmal sie in Ruhe zu lassen, aber eben nicht allein.
Ulrich Kreutzberg, Koordinator und Geschäftsführer der Hospizarbeit Braunschweig e.V.